Einzug der Straßenkicker

Die Spieler der Straßenfußball-WM haben Quartier bezogen in Kreuzberg. Anders als die Profis leben sie im Provisorium: in einer Grundschule mit Betten aus Gerüsten. Das ist komfortabler, als man denkt

VON SEBASTIAN LEHMANN

Rhythmische Gesänge und Trommeln hallen durch die Straßen rund um den Mariannenplatz in Kreuzberg. Das brasilianische Team der Streetfootball-Weltmeisterschaft feiert seine Profi-Mannschaft, sich selbst und den Fußball ganz allgemein. Vor zwei Tagen sind sie angekommen, acht Spieler plus Betreuer. Jetzt sind sie auf dem Weg von ihrer Unterkunft in einer ehemaligen Grundschule zum Mittagessen im Bethanien.

Die Stimmung ist gut unter den insgesamt rund 260 Kickern, die an der ersten Straßenfußball-WM in Kreuzberg teilnehmen. An vielen Ecken im Kiez trifft man die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 21 Jahren mit großen, bunten Pässen um den Hals – sie erkunden den Bezirk. Ein wenig Ferienlagerstimmung weht durchs sommerliche Kreuzberg. Dass die Mannschaften aus Ghana und Nigeria von den deutschen Botschaften in ihrem Land keine Visa für die Einreise bekamen, scheint niemand zu bemerken.

Ab Sonntag wird die Straßenfußball-WM eine Woche lang in einem eigens dafür errichteten Stadion auf dem Mariannenplatz ausgetragen. Das Stadion ist zwar noch im Bau, aber die Mannschaftsunterkünfte in der alten Grundschule an der Adalbertstraße sind schon belebt. Hier geht es ganz anders zu als bei der großen WM der Profis. Die Spieler schlafen alle im selben Gebäude, den Veranstaltern von „Streetfootballworld“ geht es auch um den Austausch der Kulturen.

„It’s very good here“, ruft ein junger Engländer, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, als er durch den Flur zur Dusche huscht. Das Wohnheim haben Michael Kloos und Florian Brenner vom Berliner Architektenbüro „raumstar“ eingerichtet. Dabei waren die beiden darauf bedacht, die besondere Atmosphäre des Straßenfußballs in das „Team Village“ einfließen zu lassen. Die Betten und Regale sind aus Baugerüsten gefertigt. „Die Einrichtung ist in fünf Tagen wieder abzubauen“, sagt Michael Kloos.

Trotz der Baugerüste sehen die Zimmer gemütlich aus, die weißen Bettlaken auf den Matratzen kontrastieren mit den dunkelgrauen Stangen. „Baugerüste kommen von der Straße, genauso wie der Straßenfußball“, erläutert Kloos das Konzept. „Eigentlich war’s wie Lego-Bauen“, ergänzt sein Kollege Florian Brenner.

Die Zimmer sind auch nicht einfach nur durchnummeriert. Statt Zahlen zieren jede Tür Bilder bekannter Fußballer. Es gibt einen Ronadinho-Raum und das Santa-Cruz-Zimmer. Auch die Duschen in den ehemaligen Toiletten der Grundschule sind in der gleichen Baugerüstoptik gehalten. Vorteil dabei: Die alten Sanitäranlagen der Grundschule wurden einfach provisorisch überbaut und können nach dem Auszug der Fußballer wieder benutzt werden. Die Architekten wollten zeigen, dass leerstehende Häuser einfach und billig zwischengenutzt werden können. Zusammen mit 80 Jugendlichen aus Qualifizierungsmaßnahmen hatten Kloos und Brenner die Einrichtung gebaut.

In der Schule nächtigen auch die knapp 40 weiblichen Straßenfußballerinnen, sie haben allerdings ihr eigenes Stockwerk. Gemischt untergebracht werden aber alle Nationalitäten. So logieren etwa die südafrikanischen Kicker zusammen mit dem Gastgeber-Team aus Friedrichshain-Kreuzberg. Vladimir Borkovic, einer der Gesellschafter von „Streetfootballworld“, drückte das bei der Eröffnung des Wohnheims so aus: „Jedes gemischte Zimmer muss mit den zwölf Handtüchern zurechtkommen.“

Auch Kajijuka Gaspard aus Ruanda, Leader des Teams „Esperance“, ist zufrieden mit der Unterkunft. Er beschäftigt sich seit fünf Jahren mit Straßenfußball. „Wir spielen für den Frieden Fußball“, sagt der Afrikaner und will allen Kindern – Mädchen wie Jungs – in seinem Heimatland ermöglichen, in die Schule zu gehen. Für sein Team gehe es im Grunde darum, Gender-Politik zu promoten, so Gaspard. Wie das ruandische Team sind die meisten Mannschaften aus sozialen Projekten entstanden.