Verpuffte Chance
: KOMMENTAR VON MATTHIAS URBACH

In der Theorie ist der Emissionshandel ein tolles Instrument, um das Klima zu schützen. Er ist erstens ökologisch wirkungsvoll und zweitens ökonomisch vorteilhaft. Drittens könnte er zum weltweiten Vorbild werden. Praktisch aber tut die große Koalition alles, diese Vorteile zu verschenken.

Ökologisch ist der jetzt im Kabinett durchgewinkte Plan schlicht ungenügend. Denn die Regierung schreibt den einschlägigen Fabriken und Kraftwerken vor, bis in sechs Jahren ihren Ausstoß um nur 3 Millionen Tonnen CO2 zu mindern – das ist gerade mal ein Drittel dessen, was diese Anlagen seit 2000 reduziert haben.

Somit trägt die Industrie praktisch nichts mehr bei, das Kioto-Ziel zu erreichen und den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen deutlich zu verringern. Stattdessen werden die Firmen Geld verdienen, indem sie überschüssige Verschmutzungsrechte ins Ausland verkaufen. Womit wir beim zweiten Ärgernis wären: Der chronisch defizitäre Staat schenkt der Industrie auch noch bares Geld, statt wenigstens einen Teil der Verschmutzungsrechte gewinnbringend zu versteigern.

Gleichzeitig haben die vielen Ausnahmeregeln die Idee des Emissionshandels pervertiert, innovative Lösungen zu stimulieren, um möglichst preisgünstig das Klima zu schützen. Leider zeigen sich hierzulande die Lobbyisten innovativer als die Manager, die Investitionsverhinderer schlauer als die möglichen Investoren. Von den Politikern versteht ohnehin kaum jemand das Konzept. Am Ende könnte seine Aushöhlung den Emissionshandel ganz scheitern lassen.

Das wäre halb so wild, ginge es bloß um irgendein Gesetz. Auf dem Emissionshandel aber ruhen große Hoffnungen. Als die US-Regierung vor neun Jahren aus dem internationalen Klimaprozess ausstieg, forderte sie vor allem, dass der Klimaschutz marktkonformer werden müsse. Nun setzt die wachsende Schar der Klimaschützer in den USA selbst auf den Emissionshandel. Würde er, aufeinander abgestimmt, über den Atlantik hinweg möglich, könnte er eine politische Brücke bilden, um die US-Regierung wieder in den Klimaprozess einzubinden. Eine einmalige Chance. Hoffentlich versteht der Bundestag das besser als die Regierung.