Allianz-Mitarbeiter protestieren in Köln

Allein in der Domstadt verlieren bis zu 1.800 Menschen ihren Job, bundesweit sind 7.500 Stellen bedroht. Dabei galten die Arbeitsplätze bei „Mutter Allianz“ jahrzehntelang als absolut sicher. Bürgermeisterin solidarisiert sich mit den Angestellten

Furcht um ihren Job kannten sie nicht. „Es hieß ja immer: die ‚Mutter Allianz‘ “

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Gemeinsam stehen sie an diesem Mittwochmittag mit rund 1.300 weiteren Beschäftigten protestierend vor der nordrhein-westfälischen Allianz-Niederlassung auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring. Ob es noch etwas nützt? „Wir hoffen“, sagt der 54-Jährige. „Man muss ja irgendwas machen“, ergänzt seine gleichaltrige Frau. Seit 38 Jahren arbeitet das Paar nunmehr bei der Allianz in Köln. Hier haben sie sich kennen gelernt. Dass sie einmal um ihren Job fürchten, haben sie sich bis vor kurzem noch nicht vorstellen können. „Nein, nie, es hieß ja immer: die ‚Mutter Allianz‘ “, sagt er frustriert. Doch jetzt ist alles anders: „Ich weiß nicht, was wird.“ Immer wieder ringen sie mit den Tränen.

Nicht nur die beiden Eheleute, die – wie viele andere auch – ihre Namen nicht nennen wollen, gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Denn der Allianz-Konzern will bundesweit insgesamt 7.500 Stellen abbauen – trotz eines Rekordgewinns von 4,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Seinen Kölner Standort will Deutschlands größter Versicherer komplett dichtmachen. Von der provisorisch aufgebauten Kundgebungsbühne schallen kämpferische Reden: „Das ist eine Riesenschweinerei“, ruft der Kölner DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen. „Moralisch ist das ein Verbrechen.“

„Die Proteste sind eine absolut verständliche Reaktion“, sagt Klaus Schmidtke, der im Bereich Unternehmenskommunikation in der Münchner Zentrale der Allianz arbeitet. Ihn hat der Konzern zur Schadensbegrenzung in die Domstadt geschickt. Zuerst morgens die nichtöffentliche Betriebsversammlung in den Sartory-Sälen, anschließend die Demonstration der empörten Beschäftigten. „Köln ist kein schlechter Standort, aber man musste eine Entscheidung treffen“, versucht Schmidtke die Politik des Konzerns zu rechtfertigen. „Das war eine ganz nüchterne strategische Entscheidung.“

1.108 Vollzeitstellen stehen laut Schmidtke in Köln zur Disposition. Damit würden aufgrund der hohen Teilzeitquote rund 1.800 Menschen ihren Job verlieren, sagt Ver.di. Diese Zahl will der Unternehmenssprecher nicht bestätigen. Wie viele sich nach einer neuen Beschäftigung umsehen müssten, lasse sich „zurzeit noch nicht seriös sagen“. Der Arbeitsplatzabbau solle sozialverträglich gestaltet werden: durch Vorruhestands- und Abfindungsregelungen und die „Förderung der Mobilität“. Bis Ende 2007, so hat es die Allianz versprochen, werde auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet.

„Wir sind Köln – Wir sind die Allianz“ ist auf einem Plakat zu lesen. „Die Stadt steht mit euch zusammen“, ruft die Kölner Bürgermeisterin Elfie Scho-Antwerpes den Demonstrierenden zu. „Dieser soziale Kahlschlag darf in Köln nicht stattfinden.“ Ein grauhaariger Mittfünfziger, der in der Poststelle arbeitet, hat indes bereits seinen Glauben an die „Allianz fürs Leben“ verloren: „Wir sind für die keine Menschen mehr, nur noch AK: Arbeitskapazitäten.“ Auch in Frankfurt, Dortmund, Hamburg, Stuttgart, Augsburg und München fanden gestern Protestaktionen statt.