Windradhersteller baut Segelschiff

Der Windantrieb kommt wieder – und nimmt dabei teils ganz andere Formen an als zur Windjammer-Zeit: In Aurich und Kiel wird das Segeln mit Stahlzylindern geplant, Hamburg lässt Drachen steigen und liefert die Idee für einen neuartigen Rahsegler

von GERNOT KNÖDLER

Der steigende Ölpreis lässt jahrzehntelang brach liegende Ideen wieder aufblühen: den Wind als Antrieb zum Beispiel. So will die Kieler Lindenau-Werft zusammen mit dem Auricher Windrad-Hersteller Enercon ein Schiff mit Flettner-Rotoren bauen. Anton Flettner erprobte bereits in den 1920er Jahren Schiffe, die von im Wind rotierenden Stahlzylindern angetrieben wurden. Am Bosporus wird derweil ein Dreimaster mit einem Dynarig – automatisiert betriebenen Rahsegeln – nach einer Idee des Hamburger Ingenieurs Wilhelm Prölls getestet. Sky-Sails schließlich, der neuartige Zugdrachen des Hamburger Ingenieurs Stephan Wrage, soll noch in diesem Jahr von der Bremer Beluga-Reederei eingesetzt werden (taz berichtete).

Die Renaissance des Segelschiffbaus kommt nicht von ungefähr. Schätzungen zufolge verbraucht die internationale Frachtschifffahrt doppelt soviel Öl wie die Bundesrepublik Deutschland. Öl aber wird zusehends knapp und als Kostenfaktor immer bedeutender. Dazu kommen Umweltprobleme: Die Schiffe fahren mit sehr schwefelhaltigem Schweröl. Sie erzeugen mehr als sieben Prozent des weltweiten Schwefeldioxid- sowie rund 13 Prozent des Stickoxidausstoßes.

„Wir wollen der Welt zeigen, dass man nicht immer Schweröl verheizen muss, sondern ein Schiff auch mit dem Wind antreiben kann“, sagt eine Sprecherin des Windkraftanlagenbauers Enercon. Bei der Lindenau-Werft hat die Firma ein Schiff in Auftrag gegeben, mit dem sie ihre Windräder transportieren will. Liefertermin ist der 20. September 2008. „Unser Exportanteil steigt jetzt“, sagt die Sprecherin. „Es ist ein günstiger Zeitpunkt, um ein eigenes Schiff gegebenenfalls auslasten zu können.“

Der Transporter mit der Bezeichnung „E-Ship“ soll 130 Meter lang und 22,5 Meter breit sein. Er wird einen dieselelektrischen Hauptantrieb haben und dazu vier von Enercon entwickelte Flettner-Rotoren, Zylinder von 27 Metern Höhe, in denen man einen Golf II parken könnte. Das Schiff soll 30 bis 50 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen. „Wir sind ganz stolz, das wir das mitentwickeln können“, sagt Günter Steen, einer der beiden geschäftsführenden Lindenau-Gesellschafter. Die Kieler Werft hat sich bereits in der Vergangenheit mit Windantrieben für Schiffe befasst.

Die Wirkung des Flettner-Rotors beruht auf dem „Magnus-Effekt“: Stellt man eine Säule in den Wind, strömt die Luft auf beiden Seiten gleichmäßig daran vorbei. Rotiert die Säule, wird die Luft auf der einen Seite beschleunigt, auf der anderen Seite gebremst. Wie bei einem Flugzeugflügel entsteht auf der Seite, wo die Luft schneller vorbeiströmt, ein Unterdruck – und damit ein Sog, mit dem sich ein Schiff antreiben lässt. Dabei kann ein Flettner-Rotor gut zehnmal mehr Schub erzeugen als ein Rahsegel mit der gleichen Fläche. Steen gibt sich zuversichtlich, dass sich mit dem Wind eine Reisegeschwindigkeit von 16 Knoten erreichen lassen wird. Das ist okay für ein konventionelles Frachtschiff – Containerschiffe laufen 20 bis 25 Knoten.

Ähnlich schnell soll die 90-Meter-Yacht „Maltese Falcon“ des amerikanischen Multimillionärs Tom Perkins laufen. Während das Schiff mit Flettner-Rotoren aussehen wird wie ein Dampfer mit Fabrikschornsteinen, wirkt der „Malteser Falke“ wie die strenge Version einer Windjammer: Sie verfügt über drei Masten mit je sechs Rahen, zwischen denen die Segel aufgespannt werden. Die gerefften Segel verbergen sich aufgerollt im Mast und werden beim Setzen motorgetrieben nach außen gezogen. Oben und unten werden sie wie in Vorhangschienen geführt. Das System soll doppelt so effizient sein wie ein konventionelles Rahsegel und von einer Person bedient werden können.

„Das ist eine große Leistung“, sagt Peter Schenzle von der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt, „dass die das nach so langer Zeit zum Funktionieren gebracht haben“. An der Versuchsanstalt hat Wilhelm Prölss das Dynarig in den 60er Jahren zum ersten Mal entwickelt. Weil der größte Teil des Wissens mit den Jahren verloren ging, musste der niederländische Schiffskonstrukteur Gerry Dijkstra von vorne anfangen.

Schenzle hält Dijkstras Lösung mit viel High-Tech-Material für „ziemlich kompliziert, wenn auch beeindruckend“. Weil der Aufwand für Perkins keine Rolle spielten, komme sie für Frachtschiffe so nicht in Frage. Dort sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis entscheidend, sagt Schenzle, Aber viele Erfindungen entwickelten sich ja vom Einfachen über das Komplizierte wieder zum Einfachen.