Stromkonzern Eon schaltet Windkraft ab

Wegen angeblich mangelnder Kapazitäten der Überlandleitungen müssen Windanlagen zeitweise pausieren. Öko-Energie-Branche beklagt hohe Verluste und wirft Eon falsche Berechnungen sowie absichtliche Verzögerung beim Ausbau vor

VON BERNWARD JANZING

In Teilen Norddeutschlands steht die Windkraft vor einem wachsenden Problem: Bei starkem Wind schaltet der Netzbetreiber Eon inzwischen die Anlagen ab oder fährt die Leistung herunter. Denn angeblich reichen die Kapazitäten der Hochspannungsleitungen nicht mehr aus. Nach Berechnungen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) gingen einer ganzen Reihe von Windparks in Schleswig-Holstein auf diese Weise im vergangenen Jahr sieben Prozent der Erträge verloren. Dieses Jahr werden es mancherorts 15 Prozent Minderertrag sein.

Grund dafür sind die Transportleistungen der 110-Kilovolt-Leitungen – das sind sozusagen die Landstraßen des Stromnetzes. Sie führen den Strom von den Windparks ins Höchstspannungsnetz der 380-Kilovolt-Ebene, also auf die „Stromautobahnen“. Seit 1998 hatte Eon damit begonnen, in die Einspeiseverträge mit den Windmüllern die Klausel aufzunehmen, dass im Rahmen eines „Erzeugungsmanagements“ die Rotoren bei Bedarf durch Eon abgeschaltet werden können. Dieser Passus war aus Sicht der Betreiber für den Fall gedacht, dass bei Netzstörungen der Strom nicht abtransportiert werden kann. „Wir gingen von Ausfällen von vielleicht einem Prozent der Jahresproduktion aus“, sagt Hermann Albers vom BWE.

Doch Eon nutzt diese Klausel inzwischen immer öfter, um die Einspeisung von Wind an windreichen Tagen zu kappen. Rund 200 Millionen Kilowattstunden emissionsfreier Strom gehen auf diese Weise in Deutschland jährlich verloren. „Der Schaden für die Windbranche liegt bereits bei 10 bis 20 Millionen Euro jährlich“, rechnet Albers vor. Deshalb haben die ersten Betreiber sich entschlossen, Eon auf Schadensersatz zu verklagen.

Es sind zwei Punkte, die die Windmüller kritisieren. Zum einen rechne Eon die Kapazitäten der Leitungen bewusst klein, um den Windstrom außen vor halten zu können. „Man geht immer von den Kapazitäten aus, die das Netz bei 35 Grad Lufttemperatur und Windstille hat“, sagt BWE-Mann Albers. Bei kühlerem Wetter und Wind heizen sich die Leitungen jedoch weniger stark auf, was die Transportkapazitäten deutlich erhöht. „Da die hohen Strommengen natürlich nur bei starkem Wind anfallen, ist das Vorgehen von Eon nicht gerechtfertigt.“

Dabei beruft sich die Branche auf ein Gutachten von Professor Heinrich Brakelmann, Energietechniker an der Uni Duisburg. Dieses bestätigt, dass die tatsächliche Kapazität der Leistungen deutlich höher liegt als die derzeit genutzte: Durch Messung von Wetterdaten sei die Transportleistung zeitweise um 30 Prozent zu steigern, mit einem Monitoring der Leitungstemperatur sogar um bis zu 100 Prozent.

Eon hält entgegen, das es nicht alleine auf die Leitungen ankäme, sondern auch auf die Umspannwerke und die Schalttechnik. Zudem gebe es eine Norm zur Nutzung der Leitungen, über die man sich nicht einfach hinwegsetzen könne. Gleichwohl werde Eon sich um Abhilfe bemühen: „Im Herbst wird ein Projekt beginnen, mit dem wir die Leistungssteigerung testen werden“, sagt Anja Chales de Beaulieu, Sprecherin von Eon Netz.

Aus Sicht der Windkraftbetreiber jedoch geht alles viel zu langsam. Eon betreibe bewusste Verzögerung, um die Windstrommengen, die von der konventionellen Stromwirtschaft noch immer als Konkurrenz gesehen werden, möglichst klein zu halten. Schon 1999 habe der BWE zusammen mit Eon die Schwachpunkte im Netz lokalisiert – doch nichts habe Eon seither unternommen, beklagt Windexperte Albers.

Eon nämlich setzt auf Freileitungen, und die sind kaum noch genehmigungsfähig. Erdkabel hingegen werden schneller genehmigt, weil sie auf eine deutlich größere Akzeptanz stoßen: „Die Genehmigung für Erdkabel dauert ein bis zwei Jahre, für eine Freileitung fünf bis acht Jahre“, heißt es beim BWE.

Um Eon unter Druck zu setzen, hat der BWE zusammen mit einem Planungsbüro bereits auf eigene Faust einen Bauantrag für eine Hochspannungstrasse eingereicht – binnen eines Jahres war er bewilligt. Mit diesem Beispiel im Hintergrund denkt die Windbranche darüber nach, den Ausbau des Netzes selbst in die Hand zu nehmen. Doch es gibt eine Hürde: Während die Energiekonzerne, denen die Trassen gehören, ihre Investitionen im Rahmen der Netzgebühren refinanziert bekommen, gibt es diese Möglichkeit für die Windkraftbetreiber noch nicht – und damit wohl auch vorerst keine leistungsstärkeren Netze.