Kein Teamgeist beim Lohn

Verbraucherschützer loben Adidas-Fabriken für ihre Sozialstandards in Entwicklungsländern. Doch der Lohn der Frauen, die in Thailand den offiziellen WM-Fußball herstellen, reicht kaum zum Leben

AUS BERLIN ANNETTE JENSEN

Er heißt „Teamgeist“ und wird zurzeit täglich öffentlich getreten und geköpft: der WM-Ball aus dem Hause adidas. Drei Jahre dauerte seine Entwicklung, 110 Euro kostet jedes Exemplar.

Die Bestandteile des Balls kommen aus Indien, Vietnam, Korea und Thailand. Zusammengesetzt werden sie bei Molten, einem japanisch-thailändischen Unternehmen, etwa 140 Kilometer von Bangkok entfernt. Für die Werbeabteilung von adidas ist „Teamgeist“ ein voller Erfolg. Stiftung Warentest lobte vor kurzem nicht nur die sehr gute Rundheit und Haltbarkeit des Balls und kürte das aus 14 Kunststoffflicken zusammengeklebte Leder zum Testsieger. Auch in Sachen Sozialstandards und Umwelt wurde adidas ein „starkes Engagement“ attestiert.

Offiziell arbeiten die Frauen bei Molten höchstens 60 Stunden pro Woche. Ein Informationsblatt am schwarzen Brett der Fabrik teilt ihnen mit, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren dürfen und adidas Zwangsarbeit ablehnt. Überprüft wird die Einhaltung von adidas selbst.

Das Engagement des deutschen Sportartikelherstellers kommt nicht von ungefähr: 1998 hatte der chinesische Dissident Bao Ge öffentlich gemacht hatte, dass Adidas-Fußbälle in chinesischen Straflagern genäht worden waren. Damals hatte das Unternehmen sich gezwungen gesehen, einen Verhaltenskodex zu verabschieden, um Umsatzeinbrüche zu verhindern. Inzwischen lautet das weitverbreitete Urteil über adidas: „Andere sind schlimmer“, wie auch die Süddeutsche Zeitung vor kurzem titelte.

Allerdings hat Stiftung Warentest bei seinen Untersuchungen einen Faktor außen vor gelassen, der für die Arbeiterinnen von zentraler Bedeutung ist: den Lohn. 173 Baht verdienen die Frauen bei Molten für einen vollen Arbeitstag – das sind umgerechnet 3,60 Euro. Knapp 2,80 Euro aber müssen sie schon ausgeben, damit sie dreimal am Tag etwas essen können. Die thailändische Arbeitsorganisation (TLC), die eng mit der „Kampagne für saubere Kleidung“ zusammenarbeitet, hat ausgerechnet: Für Lebensmittel, Transport zur Fabrik, eine mit anderen geteilte Unterkunft, Hygieneartikel und den Unterhalt für ein Kind bräuchten die Ball-Arbeiterinnen mindestens 166 Euro im Monat. So viel aber können sie nur verdienen, wenn sie im großen Stil Überstunden machen. „Ein Kind haben, krank werden dürfen oder sich einen Fernseher leisten – für viele der Arbeiter in der Fußballfabrik ist das Luxus, von dem sie nur träumen können“, fasst Junya Lek Yimprasert vom TLC die Quintessenz vieler persönlicher Gespräche zusammen.

Für adidas ist „Teamgeist“ dagegen ein finanzieller Knüller. Durch den Ball und andere Fußballartikel sollen in diesem Jahr 1,2 Milliarden Euro in die Kasse des Konzerns fließen. Insgesamt will adidas nach und nach 15 Millionen „Teamgeist“-Fußbälle auf der Welt verteilen und ihn damit zum „meistverkauften Fußball aller Zeiten“ machen.

Allein das Marketing rund um die aktuelle Fußball-WM hat sich adidas 142 Millionen Euro kosten lassen. Seit 1970 darf das Unternehmen aus Herzogenaurach jede Fußball-WM mit Bällen ausstatten – und schiebt der Fifa dafür jedes Mal Millionen rüber.

Für die Weltmeisterschaftsspiele in Deutschland liegen für jedes Spiel jeweils 18 „Teamgeist“-Bälle bereit – sollte doch mal einem die Luft ausgehen. Sie sind mit den aktuellen Spieldaten gekennzeichnet. Dafür eignen sie sich später wohl gut als Trophäen. Im Endspiel kommt dann ein ganz besonderes Exemplar zum Einsatz. Lange hat adidas ein Geheimnis aus seinem Aussehen gemacht. Nun ist klar: Statt der schwarzen hat er goldene Flecken. Während diese gezielte Ballwerbung im Entscheidungsspiel den weltweiten Umsatz für adidas noch einmal ankurbeln dürfte, stehen diesmal Umsatzeinbußen durch die dunkleren Seiten des Unternehmens nicht zu erwarten.