Fallstricke im Elterngeld

Expertenanhörung ergibt: In einigen Details konterkariert Elterngeld seine Ziele. Beruflicher Wiedereinstieg von Müttern könnte erschwert werden

Wenn beide Eltern Teilzeit arbeiten,ist der Geldsegen nach7 Monaten vorbei

AUS BERLIN HEIDE OESTREICH

Was das Elterngeld alles bieten soll: mehr Gerechtigkeit zwischen Vätern und Müttern, einen Schonraum für junge Familien, einen Anreiz für Mütter, berufstätig zu bleiben – all das bestätigten ExpertInnen gestern dem Familienausschuss des Bundestages bei einer Anhörung mehr oder weniger. Allerdings gibt es einige Komponenten im Gesetz, die diesen Zielen zuwiderlaufen. Und sehr klar wurde auch, was das Elterngeld ganz offenbar nicht ist: eine Armutssicherung für bedürftige Familien.

Zu Letzterem bemerkten die ExpertInnen einhellig, dass die fehlende Kinderbetreuung Eltern nach einem Jahr dazu zwinge, entweder zu Hause zu bleiben und ein Einkommen plus das bisherige Erziehungsgeld zu verlieren – oder aber sehr teure private Kinderbetreuung zu organisieren, die ebenfalls arm machen kann. Der Berliner Familienforscher Hans Bertram betonte jedoch, dass diese Lage immerhin die Kommunen dazu zwingen könnte, die Kinderbetreuung zügiger auszubauen als bisher.

Systematisch aber bleibt das Elterngeld dennoch ein Zwitter: Es soll einen Einkommensersatz analog zu einer Sozialversicherung bieten, ist aber nicht beitragsfinanziert, wie etwa die schwedische Elternversicherung. Beitragsfinanzierte Versicherungen wahren das Äquivalenzprinzip: Wer viel einzahlt, bekommt viel heraus. Das steuerfinanzierte Elterngeld aber bedenkt reiche Familien üppig, obwohl die Allgemeinheit dafür zahlt. Insbesondere der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge beklagte dies: „Die, die es am nötigsten haben, bekommen am wenigsten.“ Arbeitslose erhalten ebenso wie Studierende im Vergleich zum heutigen Erziehungsgeld bis zu 3.600 Euro weniger Leistungen als bisher.

Auf Fehlanreize des Elterngeldes wies Miriam Beblo, Wirtschaftswissenschaftlerin aus Berlin, hin. So würden Eltern, die innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt des Sprösslings wieder arbeiten wollten, extrem benachteiligt. Wer mehr als 30 Stunden arbeitet, bekommt überhaupt kein Elterngeld, obwohl er teure Kinderbetreuung finanzieren muss.

Eine zweite Variante, die ausdrücklich erwünscht ist, bringt ebenfalls Nachteile: Wenn beide Eltern im ersten Jahr Teilzeit arbeiten und deshalb beide einen Teil-Lohnersatz bekommen, dann ist nach sieben Monaten Schluss mit dem Geldsegen. Dann haben sie nämlich zusammen ihre 14 Monate Elterngeld aufgebraucht – obwohl sie weniger Geld beanspruchen als Eltern, die hintereinander voll aussteigen. „Es wird ein Anreiz gesetzt, lieber voll auszusteigen, weil es dann mehr Geld gibt“, warnt die Wissenschaftlerin. Das erschwere die Berufstätigkeit insbesondere der Mütter.

Auf eine weitere Mütterfalle wies die Sozialrichterin Christine Fuchsloch für den Deutschen Juristinnenbund hin: Wer innerhalb zweier Jahre nach dem ersten Kind ein weiteres bekommt, der bekommt zum neuen Elterngeld, das wegen der fehlenden vorherigen Erwerbstätigkeit ja geringer ausfällt, einen „Geschwisterbonus“ dazu. Mit diesem Bonus aber würden wieder Mütter ermutigt, weiterhin zu Hause zu bleiben, kritisierte Fuchsloch. Denn ohne Bonus würde beim zweiten Kind eher derjenige aussteigen, der beim ersten Kind erwerbstätig war, meist wohl der Vater. Denn er bekommt in dieser Zeit mehr Elterngeld als die Erstaussteigerin, die ja weitgehend zu Hause war. Mit dem Bonus aber könnte die Mutter leichter daheim bleiben, befürchtet die Juristin. „Der Geschwisterbonus ist eine Berufsausstiegsförderung für Frauen“, warnt Fuchsloch. Die Frist für den Bezug dürfe keinesfalls ausgeweitet werden. Eine solche Ausweitung auf drei Jahre forderten vor allem die kirchlichen Familienverbände.