Straßen for sale

Um zu sparen, schreibt der Kreis Lippe den Betrieb seiner Straßen aus. Gewerkschafter starten ein Bürgerbegehren

Auf was lassen sich Kommunalpolitiker nicht alles ein, wenn es nur Geld in die Kasse bringt: Jahrelang verscherbelten Kommunen, auch in Nordrhein-Westfalen, ihre Kanalnetze, Grundstücke oder Straßenbahnschienen an US-Investoren. Cross-Border-Leasing nannte sich dieses Scheingeschäft, mit dem auf jeden Fall die amerikanischen Steuerzahler geschädigt wurden.

Inzwischen sind diese Geschäfte nicht mehr möglich. Der neueste Kämmerer-Hype heißt PPP – „Public Private Partnership“. Der Kreis Lippe will damit seine Verkehrswege betreiben. Union und Grüne haben am 19. Juni im Kreistag das Modell durchgesetzt. Künftig soll ein Generalunternehmer für rund 3.500 Kilometer Straße, außerdem 110 Kilometer Radweg, ein paar Kilometer Gehweg und 105 Brücken zuständig sein. Zwar hat der Kreis auch schon früher einzelne Aufträge – etwa für größere Instandsetzungsarbeiten – ausgeschrieben, die dann an Unternehmen in der Region gingen. Nun aber soll der Betrieb der Verkehrswege als Gesamtpaket europaweit ausgeschrieben werden.

Der neue Generalunternehmer soll die Straßenausbesserungsarbeiten dann günstiger machen – um 20 Prozent sollen die Kosten sinken. Ein Standardversprechen, das bei Privatisierungen gerne gemacht wird und schon oft nicht eingehalten wurde. Die Gewerkschaft Ver.di traut dem Geschäft jedenfalls nicht über den Weg. „Hier wird etwas übers Knie gebrochen, dessen Auswirkungen noch gar nicht abzuschätzen sind“, sagt Gewerkschaftssekretär Siegfried Wöhler.

Ver.di hat deswegen ein Bürgerbegehren initiiert. Mit Unterstützung von SPD, Freien Wählern und Attac werden bis Ende August Unterschriften dafür gesammelt, dass der Kreis die Kontrolle über die Straßen behält. Wenn der gesamte Straßenbau an einen Großinvestor geht, schädige das außerdem die regionale Wirtschaft und gefährde Arbeitsplätze, kritisieren die PPP-Gegner.

Skeptisch stimmt die PPP-Gegner auch, dass als Beraterin des Landrats die Rechtsanwältin Ute Jasper fungierte. Die Vergaberechtsexpertin hatte vor einigen Jahren auch die Stadt Mülheim bei Privatisierungen beraten. Kritiker bemängeln, dass die dortigen Wasserwerke und Energieunternehmen weit unter Wert verkauft worden sind. Die Preise jedenfalls sind in Mülheim gestiegen – nach einer Schonfrist von zwei Jahren.

DIRK ECKERT