Tazler festgenommen

China-Korrespondent Georg Blume bei Gesprächen mit von Staudamm betroffenen Bauern festgehalten

Erneut ist der China-Korrespondent von taz und Zeit, Georg Blume, bei Recherchen in der Volksrepublik von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Blume wurde gestern im Dorf Xiao Shaba in der Südostprovinz Yunnan für fünf Stunden festgehalten, als er Bauern interviewte. Ihnen droht die Umsiedlung wegen eines Staudammprojekts am Fluss Nu an der Grenze zu Birma.

Wie Blume der taz aus der Polizeistation der Kreisstadt Liuku telefonisch mitteilte, wurden ihm „illegale Recherchen“ vorgeworfen. Die Polizei hätte zunächst die Herausgabe seiner Notizen verlangt, was er verweigert habe. Später habe man sich darauf geeinigt, dass er einen Teil der Unterlagen vernichte. Bei Herausgabe des Materials wäre zu befürchten gewesen, dass Gesprächspartner für kritische Äußerungen von den Behörden drangsaliert werden.

Erst kürzlich hatte ein ähnlicher Fall für Aufsehen gesorgt. Der Bauer Fu Xiancai, der gegenüber dem ARD-Fernsehen gebrochene Kompensationsversprechen beim Bau des Dreischluchtenstaudamms am Jangtse kritisiert hatte, war von Unbekannten zum Krüppel geschlagen worden, die mutmaßlich Verbindungen zur Polizei hatten.

Blume wurde nach eigenen Worten „sehr höflich“ behandelt. Die Chefin des lokalen Propagandabüros habe zu seiner Festnahme gesagt, sie diene seiner „eigenen Sicherheit“. Der seit 1997 aus China berichtende Korrespondent war auf Einladung des Umweltamtes von Yunnan in die Region gereist, was er mit eigenen Recherchen verband.

Am Nu, der flussabwärts in Birma Salween genannt wird, waren ursprünglich 13 Staudämme geplant. Die sollen mit insgesamt 22.000 Megawatt Leistung mehr Strom erzeugen als der gigantische Dreischluchtenstaudamm. Das dünn besiedelte Gebiet am Nu, wo die ethnische Minderheite der Lisu lebt, zählt zum Unesco-Kulturerbe. Der Nu gilt als einer der zwei letzten unberührten Flüsse Chinas.

Im Februar 2004 hatte Premierminister Wen Jiabao wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfungen einen Baustopp verhängt. Dieser ist noch gültig, wie erst am 23. Juni die Umweltbehörde Sepa in einem Brief an chinesische Umweltorganisationen betonte. Doch begannen in den letzten Monaten nicht genehmigte vorbereitende Baumaßnahmen. Laut Blume rechnen die lokalen Bauern, die das Projekt grundsätzlich befürworten, bereits in den nächsten zwei Monaten mit ihrer Umsiedlung.

Vor seiner Freilassung musste Blume die in solchen Fällen üblichen Erklärungen unterschreiben. So musste er sich verpflichten, keine weiteren Interviews am Nu zu führen. Blume war bereits im Dezember 2005 in Henan bei Recherchen über so genannte Krebsdörfer und im April 2002 in Daqing bei Recherchen über einen Streik für jeweils mehrere Stunden festgenommen worden.

Ausländische Journalisten benötigen für Recherchen außerhalb Pekings eine Genehmigung. Dies dauert oft Wochen und wird in heiklen Fällen verwehrt. Bei Umweltkonflikten, wo die Interessen von Zentralregierung und lokalen Behörden divergieren, geraten Journalisten schnell in eine Grauzone und wie im jetzigen Fall vor allem mit den Lokalbehörden in Konflikt.

SVEN HANSEN