DaimlerChrysler droht mit Billiglohnländern

Unternehmensführung konfrontiert Betriebsrat mit dem Plan, Teile der Verwaltung nach Osteuropa zu verlagern

BERLIN taz ■ Der Stuttgarter Autobauer DaimlerChrysler hat ein neues Folterinstrument für die Gewerkschaften entdeckt: „Verlagerung von Verwaltungsaufgaben in Billiglohnländer“ lautet die Drohung, mit der der Konzern seine deutschen Verwaltungsmitarbeiter unter Druck setzt. „Für die Betriebsbuchhaltung gibt es offizielle Überlegungen der Unternehmensseite, dass dafür auch Standorte in Tschechien und Indien in Frage kommen können“, sagte Silke Ernst, Sprecherin von DaimlerChrysler-Betriebsratschef Erich Klemm, gestern gegenüber der taz.

Seit Januar schwelt der Streit um einen Personalabbau in der Verwaltung des amerikanisch-deutschen Konzerns mit weltweit 383.000 Mitarbeitern. Gut 182.000 arbeiten davon in Deutschland. Um die Verwaltung des Konzerns zu straffen, hatte Konzernchef Dieter Zetsche damals angekündigt, in den nächsten drei Jahren jede fünfte Verwaltungsstelle zu streichen. In Deutschland sind nach Angaben des DaimlerChrysler-Betriebsrates davon 3.200 Mitarbeiter betroffen – weltweit sollen sich 6.000 Verwaltungsangestellte umorientieren. Ihre Arbeit will Zetsche zentralisieren und gleichzeitig Doppelkapazitäten abbauen. So sollen jährlich netto 1 Milliarde Euro eingespart und Verwaltungswege beschleunigt werden. Bis zum 1. August soll geklärt sein, wie Zetsches Vorgaben konkret umgesetzt werden.

Arbeitslosigkeit müssen die betroffenen Lohnbuchhalter, Controller und Strategen – noch – nicht fürchten, denn betriebsbedingte Kündigungen sind nach einem Beschäftigungspakt in der DaimlerChrysler AG aus dem Jahr 2004 bis 2012 ausgeschlossen. „In den laufenden Verhandlungen zum Interessenausgleich geht es darum, gemeinsam mit den Mitarbeitern Lösungen zu finden“, sagt DaimlerChrysler-Sprecherin Marina Raptis. Sie bestätigt gegenüber der taz die Überlegungen, einzelne Verwaltungsbereiche in angrenzende osteuropäische Länder auszulagern. Das seien aber nur „Optionen in Überlegung“. „Von einer Verlagerung nach Indien kann aber keine Rede sein“, so Raptis.

Möglich sind nach der Betriebsvereinbarung jedoch Änderungskündigungen, nach denen eine Buchhalterin aus Sindelfingen einen neuen Job bei DaimlerChrysler in Thüringen übernehmen müsste. Wer den neuen Job nicht annimmt, dem könnte dann die endgültige Kündigung drohen: „Wir fordern deshalb den Ausschluss von Änderungskündigungen, weil sie als Hintertür für eine endgültige Kündigung missbraucht werden können“, sagt Silke Ernst vom DaimlerChrysler-Betriebsrat.

Mit der Drohung der Billiglohnländer erhöht DaimlerChrysler so oder so den Druck auf seine Mitarbeiter, auf ihren Job zu verzichten und Abfindungsangebote anzunehmen. Auf diesem Weg hat der Konzern im letzten Jahr 8.500 Mitarbeitern aus der Produktion den Abschied erleichtert. Auch für die laufenden Gespräche müsse gelten, dass jeder Mitarbeiter zu seinem Recht komme, sagt Uwe Meinhardt von der IG Metall Stuttgart der taz: „Keiner verlässt das Unternehmen gegen seinen Willen.“ TARIK AHMIA