Arme Akademiker
: Doktor Prekarius

Sie führen das Dipl. vor ihrem Namen auf goldverzierten Visitenkarten, häufig auch den Doktortitel, haben viel Geld investiert für einen zusätzlichen Elitestudiengang in den USA, und nicht wenige haben schon den einen oder anderen international renommierten Preis eingeheimst. Und trotzdem kommt am Ende des Monats ein Gehalt auf das Konto, das kaum über dem Sozialhilfesatz liegt. Architekten, Anwälte und Journalisten – viele von ihnen gehören zu der neuen Gruppe der Prekarisierten dieser Stadt.

So liegt Gerüchten zufolge das durchschnittliche Einkommen der insgesamt 11.000 in Berlin registrierten Anwälte gerade einmal bei rund 1.000 Euro. Marion Pietrusky, Hauptgeschäftsführerin der Berliner Anwaltskammer, kann diese Zahl zwar nicht bestätigen. Entsprechende Daten sollten eigentlich jüngst erhoben werden; dies wurde aber wieder verworfen. Der Grund: „Vielen fällt es schwer, mit zwei Staatsexamen in der Tasche zuzugeben, dass man Hartz IV bezieht“, sagt Pietrusky. Überraschen würde sie ein solch niedriges Einkommen aber nicht. Es gebe sehr viele junge Kollegen, die versuchten, mit einer eigenen Kanzlei Fuß zu fassen, dann allerdings jahrelang nur mit Zuschüssen von Eltern überleben könnten und anschließend wieder verschwinden.

Ähnlich dramatisch sieht die Einkommenssituation bei Architekten aus. Die letzte Konjunkturuntersuchung der Berliner Architekten ist aus dem Jahr 2002. Damals erwirtschafteteten die meisten Freischaffenden ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 18.000 Euro im Jahr. Das sind rund 1.500 Euro im Monat, ohne Steuern. Je kleiner das Büro, desto geringer war der Umsatz. Zum Vergleich: Ein Studienrat kommt auf 48.000 Euro im Jahr.

Am bekanntesten, weil am ausführlichsten darüber berichtet wurde, ist die Einkommenssituation bei den Journalisten. Bereits 2003 verdienten 45 Prozent der freien Journalisten weniger als 1.500 Euro brutto im Monat. An dieser Zahl dürfte sich nur wenig geändert haben. Verändert hat sich allerdings die Zahl der Freiberufler: Sie hat seit der Medienkrise rapide zugenommen. Einerseits gibt es in der Hauptstadt noch mehr Journalisten, sagt Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann. Andererseits wird der Kuchen, der zu verteilen ist, immer kleiner. „Eine nach Tarif bezahlte feste Stelle, zum Beispiel beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ist wie ein Sechser im Lotto“, so Splanemann. Zudem würden immer mehr Bereiche outgesourct. Und die vielen Kleinanbieter würden sich Tarifgehälter nur in den seltensten Fällen leisten. FELIX LEE