Ausbildung statt Abschiebung

Ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt ermöglicht es Flüchtlingen, eine Ausbildung zu absolvieren. Die ersten fünf Migrantinnen beginnen als Azubis bei Vivantes-Kliniken – obwohl bei dreien der Aufenthaltsstatus noch unsicher ist

Von Sebastian Lehmann

Damit hatten die fünf Migrantinnen nicht gerechnet: Sie unterschrieben gestern ihren ersten Arbeitsvertrag im Kreuzberger Urban-Krankenhaus – im Blitzlichtgewitter und gefilmt von zwei Fernsehkameras. Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner und Wirtschaftssenator Harald Wolf (beide Linkspartei) gehörten zu den ersten Gratulanten. Noch außergewöhnlicher als die äußeren Umstände der Vertragsunterzeichnung ist allerdings die Tatsache, dass es überhaupt dazu gekommen ist. Die Frauen aus Serbien, dem Libanon und der Türkei haben nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Sie dürften rein rechtlich gesehen gar nicht in Deutschland arbeiten. Im Rahmen eines bundesweit einmaligen Pilotprojekts machen sie nun eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege.

Hinter der Aktion steckt ein Projekt namens „Bridge“, das sich als „Brücke zur Reintegration für AsylbewerberInnen und Geduldete in Berlin und Brandenburg“ versteht. Es wird von der Europäischen Union und vom Bundesarbeitsministerium finanziert.

Der Krankenhauskonzern Vivantes freue sich sehr, den jungen Frauen eine Ausbildung zu ermöglichen, sagte Vivantes-Chef Holger Strehlau-Schwoll. Die Kliniken in Berlin bräuchten Mitarbeiter mit Migrationshintergrund: Schließlich steige auch der Anteil an Patienten, die zugewandert sind, stetig an. Strehlau-Schwoll kündigte an, das Projekt in den nächsten Jahren fortzusetzen und jährlich bis zu zehn MigrantInnen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus einzustellen. Vivantes betreibt neben der Kreuzberger Klinik acht weitere Krankenhäuser in Berlin.

Auch die beiden Senatoren begrüßten das Pilotprojekt. Knake-Werner sprach von einer „Win-win-Situation“. Die MigrantInnen hätten gewonnen, weil ihnen eine berufliche Perspektive gegeben werde; Vivantes profitiere vom neuen Pflegepersonal mit Migrationshintergrund. Mit Blick auf den Integrationsgipfel der Bundesregierung am Freitag wurden aber auch Forderungen laut. In Deutschland geduldete Jugendliche sollten einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, so Wolf und Knake-Werner unisono. Laut Wolf sollte jeder, der mehr als sechs Jahre in Deutschland geduldet ist, ein Bleiberecht erhalten.

Bis jetzt ist nur bei zwei der fünf Migrantinnen der Aufenthaltsstatus geklärt – sie dürfen sicher ihre dreijährige Ausbildung abschließen. Auch den anderen dreien sollte dies ermöglicht werden, forderte die Gesundheitssenatorin. Knake-Werner appellierte deswegen an Innensenator Ehrhart Körting (SPD), bei den drei noch offenen Fällen genauso unbürokratisch vorzugehen wie bei den beiden geklärten. Der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, verwies darauf, dass „das Unmögliche möglich“ gemacht wurde, weil alle an einem Strang gezogen hätten. „Das ist wie ein Sechser im Lotto“, so Piening.

Auch die jungen Migrantinnen im Alter von 19 bis 23 Jahren freuen sich, endlich einen Ausbildungsplatz in Deutschland bekommen zu haben. Die fünf Flüchtlinge hatten zuerst ein Praktikum in Vivantes-Einrichtungen absolviert; sie wurden zudem von „Bridge“ betreut und in Kursen geschult. Den anschließenden Berufseignungstest schafften dann fünf der acht Bewerberinnen.

Marina Radosailyević ist eine davon. Sie kommt aus Serbien, lebt aber schon seit 19 Jahren in Deutschland. „Sehr froh“ sei sie, endlich eine Arbeitsstelle zu haben. Sie habe sich schon einmal in einem Krankenhaus beworben, so die 22-Jährige, wurde aber mit dem Verweis, man müsse zuerst die deutschen Bewerber berücksichtigen, abgelehnt. Nicht einmal ein freiwilliges soziales Jahr konnte sie absolvieren. Nach der Ausbildung will sie auf jeden Fall in Deutschland bleiben.