Vor den Nachrichten ein Ave Maria

Die polnische Regierung bringt die Medien des Landes auf Kurs. Ganz offiziell wird von Säuberungen geredet, und kritische Sendungen werden abgesetzt. Patriotische Programme zeigen Polen als ewiges Opfer angeblich missgünstiger Nachbarn

AUS WARSCHAUGABRIELE LESSER

Polens Mächtige wissen genau, dass sie das Fernsehen brauchen, um ihre Botschaft unters Volk bringen zu können. Das war zu kommunistischen Zeiten so. Das ist heute so. Im Herbst letzten Jahres jedoch rieben sich die Polen verwundert die Augen. Die wichtigsten politischen Nachrichten wurden nicht mehr vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbreitet, sondern von den rechtsklerikalen Sendern „Trwam“ und „Radio Maryja“. Wer wissen wollte, was in Polen politisch angesagt war, musste die obskure „katholische Stimme in deinem Haus“ einschalten, sich einige Ave Marias anhören, bevor dann ein Mönch den Premier oder Präsidenten interviewte.

Dass Papst Benedikt XVI. Radio Maryja heftig für seine antisemitischen und rechtsradikalen Sendungen kritisierte, focht die Mächtigen nicht weiter an. Das sei Sache der Kirche. Doch die „Säuberungen“, wie die politisch motivierten Entlassungen in Polen ganz offiziell genannt werden, wurden forciert. Inzwischen sind das erste und zweite Programm stramm rechts ausgerichtet. Der neue konservative Intendant Bronislaw Wildstein bekam für alle Fälle noch einen Aufpasser mit der richtigen Sozialisation an die Seite gestellt. Piotr Farfal, dem die Gazeta Wyborcza vorwarf, zwei Jahre lang die faschistische Front herausgegeben und dort Sätze wie „Wir tolerieren keine Feiglinge, Verräter und Juden“ publiziert zu haben, redete sich mit jugendlicher Naivität heraus. Er habe damals den polnischen Faschisten erlaubt, seinen Namen zu benutzen.

Seit der Übernahme des Fernsehens wird das Programm immer „patriotischer“, zeigt also Polen immer häufiger als ewiges Opfer angeblich missgünstiger Nachbarn. Doch auch die Ton- und Textarchive des Fernsehens, die bislang Journalisten gegen Gebühr offen standen, sind nun geschlossen. „Mit Deutschen arbeiten wir nicht mehr zusammen“, hörte die Autorin dieses Artikels, als sie dort Material zu einem Provinzstädtchen einsehen wollte. Das sei eine „Anordnung von oben“.

Dass die Deutschen sich seit der Nazizeit um keinen Deut verändert hätten, konnten die Zuschauer der Talkshow „Reporterthema“ am Dienstag hören. Reizthema waren das Zentrum gegen Vertreibung, Klagedrohungen von Vertriebenen und die noch immer offene Rechnung der Kriegsreparationen. Immer wieder wurden Gräber polnischer Naziopfer und Zeitzeugen auf eine Leinwand projiziert, um dann das Thema erneut auf die heutigen Deutschen zu lenken, die die Polen nach wie vor hassen würden.

„Unpatriotische“ Sendungen sind inzwischen auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpönt. Das für nächsten Sonntag geplante Radiofeature über Morde, die auf das Konto von Rechtsradikalen gehen, die der Liga der Polnischen Familien (LPR) oder ihrer Jugendorganisation nahe stehen, wurde ersatzlos gestrichen. Und mit ihm gleich die ganze Sendereihe, die sich oft mit Minderheitenthemen befasst hatte. Die rechtsklerikale Liga ist heute Regierungspartei. Dass es in ihrem Umfeld seit 1989 bis zu 40 fremdenfeindlich motivierte Morde gegeben haben soll, wie die Antifa-Organisation „Niemals wieder“ in ihrem „Braunbuch“ behauptet, soll erst gar nicht diskutiert werden.

Eine Tendenz zur Dämonisierung der Deutschen einerseits und dem Verschweigen unangenehmer Wahrheiten andererseits lässt sich auch in vielen Printmedien beobachten. Federführend unter den großen überregionalen Zeitungen ist dabei die Springer-Presse. Einer ihrer wichtigsten Autoren ist der in Warschau und Bremen arbeitende Soziologieprofessor Zdzislaw Krasnodebski. Er gilt als der ideologische Vater der IV. Republik, die die Kaczyński-Brüder errichten wollen. In der am letzten Wochenende publizierten Analyse „Die deutsche Presse attackiert uns“ unterstellt er den deutschen Journalisten eine schon jahrelang andauernde große Verschwörung gegen Polen. Deutlich geworden sei dies bei den Themen „Krieg gegen den Irak“, „Zentrum gegen Vertreibungen“ und der deutsch-russischen Gaspipeline. Das seien reine Pressekampagnen gewesen. Besonders negativ aufgefallen seien die linksliberale tageszeitung und insbesondere die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die „seit langem radikal negativ“ über Polen berichte.