Funkele weiter, du verrückter Diamant

Er war ein Bohemien, ein Poet, und er spielte in einer Rockband: Syd Barrett, der Gründer von Pink Floyd, ist im Alter von 60 Jahren gestorben

Wie erst am Dienstag bekannt wurde, ist am 7. Juli in London ein Mann gestorben, der für die Öffentlichkeit seit mehr als 30 Jahren ein Gespenst war. Seine letzten Aufnahmen soll er 1974 gemacht, sein letztes druckbares Interview 1973 gegeben haben. Wer danach noch versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen, den hielt er sich meistens mit dem Satz vom Leib: „Syd Barrett kann jetzt nicht mit dir reden.“

Gerade mal sieben Jahre währte seine Schaffenskraft als Komponist, Sänger, Lyriker und Gitarrist, wobei er nur die ersten drei Jahre als treibende Kraft einer Coverband wirkte, die er im Winter 1965 mit ein paar anderen Kunst- und Architekturstudenten aus Cambridge gegründet hatte. Sigma 6 nannten sie sich zuerst, dann T-Set, später The Megadeaths, kurz darauf The Screaming Abdabs, was bald in The Architectural Abdabs umgeändert wurde – bis Syd Barrett endlich vorschlug, die Gruppe nach seinen beiden Lieblingsmusikern Pink Anderson und Floyd Council zu benennen: The Pink Floyd Sound.

Es war dann nicht nur ihr Sound, mit dem sich die hungrigen Newcomer rasch ins Herz des psychedelischen Undergrounds der späten Sechzigerjahre spielten – es war auch ihre damals vollkommen neue Idee einer Lichtshow, mit der Pink Floyd ihr Publikum im Ufo-Club in Begeisterung versetzten. „Und dann war da Syd Barrett“, sollte sich später David Bowie erinnern, „mit seinem totenbleichen Gesicht und dem schwarzen Eyeliner rund um die Augen – dieses seltsame Wesen, das in einer Band sang, die Licht einsetzte, und ich dachte: Wow! Er ist ein Bohemien, ein Poet, und er spielt in einer Rockband.“

Tatsächlich war Syd Barrett diese Rockband, und Bowie sollte bei weitem nicht der einzige Musiker bleiben, den dieses seltsame Wesen nachhaltig beeinflusste. Und von Songs wie dem über „Arnold Layne“, dessen „strange hobby“ es ist, Frauenkleider zu tragen; von „Astronomy Domine“, einer Aufzählung verschiedener Sterne. Und von „The Piper At The Gates Of Dawn“, dem schrulligen Debüt von Pink Floyd, auf dem Fahrradklingeln als Perkussion und merkwürdige E-Gitarren-Soli als Vehikel in andere Welten dienten.

Diese Platte, im selben Studio wie das „Abbey Road“-Album von den Beatles aufgenommen, steht heute noch als erratischer Block in der Rockgeschichte herum. Dort gilt er den einen als Keimzelle all dessen, was später als Progressive Rock zu vielleicht allzu schillernder Blüte kommen sollte, den anderen als einziges respektables Album von Pink Floyd – einer Band also, die sich nach dem Abgang von Syd Barrett vom Popsong ab- und dem mäandernden Epos zuwandte, der sie alle zu Multimillionären machte. Denn das kreative Potenzial von Syd Barrett kippte bald in sein Gegenteil: 1968 schon konnte sich die Gruppe, eben erst halbwegs berühmt geworden, nicht mehr auf ihren Kopf verlassen.

Als kompliziert und psychisch labil galt er vorher schon, aber erst sein selbstmörderischer LSD-Konsum schubste ihn endgültig über die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn. Als sein Verhalten immer unberechenbarer wurde, als niemand mehr seine Geistesblitze nachvollziehen konnte, da holten die Kollegen zur Verstärkung einen alten Freund von Syd ins Boot, den vergleichsweise langweiligen Bluesgitarristen David Gilmour.

Als Barrett dann bei Konzerten immer wieder denselben Ton zu spielen begann, immer öfter zur Statue erstarrte oder einfach von der Bühne spazierte, trennten sich Waters, Wright, Mason und Gilmour endgültig von ihrem Problemkind. Sein damaliger Ruf ist nur mit dem zu vergleichen, den heute ein Pete Doherty genießt, und von seinen beiden Soloplatten erwartete sich die Plattenfirma EMI weitaus mehr als vom kopflosen Rumpf, Pink Floyd. In der Musik seiner ehemaligen Kollegen tauchte er später immer wieder auf, „Shine On You Crazy Diamond“ oder „Wish You Where Here“ sind Barrett gewidmet, und auch in der tragischen Figur des Pink in „The Wall“ schwingt er noch lange nach.

Barrett selbst verschwand von der Bildfläche, wurde manchmal „gesichtet“ wie ein Indie-Elvis, und soll am Ende im Haus seiner Eltern gelebt haben, zuckerkrank und zurückgezogen. „It’s better to burn out than to fade away“, hat Neil Young einmal festgestellt. Syd Barrett hat beides geschafft. ARNO FRANK