Kochen für die Kanzlerin

Das Kreuzberger Sozialprojekt „Weltküche“ kümmert sich um das Catering beim heutigen Integrationsgipfel. Die meisten Mitarbeiter sind HIV-positive MigrantInnen. Das Projekt soll den Einstieg ins Berufsleben erleichtern

Rithy Chim wirft einen letzten prüfenden Blick auf den Lammauflauf, der im Ofen schmort. Ganz ruhig füllt die Chefköchin dann den „karibischen Obstsalat“ in halbe Melonen. In wenigen Minuten wird das Essen verladen, pünktlich um 12 Uhr muss es bei der Heinrich-Böll-Stiftung sein. Kein Grund zur Panik, sondern Alltag für die Mitarbeiter des Kreuzberger Beschäftigungsprojekts „Weltküche“, das heute auch das Catering für den Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt übernimmt. „Angeblich hat sich die Kanzlerin die Gerichte sogar selbst ausgesucht“, sagt Pablo Fernández, Mitbegründer des Projektes, und schmunzelt. „Aber so genau wissen wir das nicht.“

Die Weltküche ist eigentlich ein Selbsthilfeprojekt für Migranten, die HIV-positiv sind. „Es sind aber nicht alle HIV-positiv und es sind auch nicht alle Migranten, die hier mithelfen“, betont Fernández. Diese Feststellung ist ihm auch deshalb wichtig, weil viele der Betroffenen sich noch nicht öffentlich als HIV-positiv geoutet haben.

Großes Interesse

Die Weltküche soll ihnen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. „Viele haben seit Jahren nicht gearbeitet“, sagt Fernández. In der Weltküche können sie sich langsam wieder an den Arbeitsalltag gewöhnen. Bezahlen kann der Trägerverein „Positive Aktion – MigrantInnen gegen Aids“ aber nur diejenigen, die eine Arbeitserlaubnis haben. So beschäftigt der Verein zwei Vollzeitkräfte, mehrere Mini-Jobber und 1-Euro-Kräfte. „Viele andere würden auch gerne mitarbeiten, aber sie dürfen nicht“, sagt Fernández. So bleibt es für viele bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Wer heute für die Kanzlerin kochen darf, ist mächtig stolz darauf. „Für unsere Köchinnen und Köche ist das schon eine Art Ehrung“, sagt Fernández. Für den Gipfel im Kanzleramt bereiten sie orientalische Linsensuppe und „Fried Rice and Chicken“ zu. „Das ist eine Art afrikanischer Paella“, sagt Fernández. Schon um 5 Uhr morgens sollen die sechs KöchInnen mit den Vorbereitungen beginnen, um 9.30 Uhr muss das Essen am Kanzleramt sein. Zwölf Servicekräfte der Weltküche werden vor Ort sein. Sie stammen aus Kambodscha, Kenia, der Türkei, Spanien, Mexiko, Russland, Äquatorial-Guinea, Kolumbien, dem Kongo, der Türkei, dem Iran und Deutschland. „Eine der Kenianerinnen wird allein für die Kanzlerin zuständig sein“, sagt Fernández. Dass sie es so weit gebracht haben, hält er für erstaunlich. „Noch vor wenigen Jahren wurden wir als hoffnungslose Fälle abgestempelt“, berichtet Pablo Fernández. „Als wir mit dem Projekt angefangen haben, hielten uns alle für verrückt.“

Nun läuft die Weltküche aber sehr gut und wird immer professioneller. Der erste große Kunde war die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Es habe auch schon Aufträge von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, dem UN-Büro für Flüchtlinge und der Evangelischen Akademie gegeben, berichtet Fernández. „Wir kochen für alle – die Reichen und die Armen“, sagt Chefköchin Rithy, die Fernández als „Mutter des Projekts“ bezeichnet.

110 Portionen

Über die Frage, ob der Integrationsgipfel mit 110 bestellten Essensportionen bisher der größte Auftrag sei, muss Rithy lachen. „Wir haben sogar schon mal für 700 Personen gekocht“, sagt die 38-Jährige. Oft könne man solche großen Aufträge aber nicht annehmen. „Mit den großen Catering-Firmen können und wollen wir nicht konkurrieren“, sagt Fernández. Dennoch seien sie froh über solche Aufträge. „Dass wir für den Integrationsgipfel das Catering machen, ist ein Musterbeispiel für Integration“, so Fernández. „Die Menschen, die dort essen, wissen vielleicht nicht, wer wir sind.“ Direkt beteiligen am Integrationsgipfel würden sie sich zwar nicht. Aber allein schon ihre Arbeit sei eine politische Aussage. KARIN SCHÄDLER