Der Dunst der Metropole

Seit einer Schießerei im Januar genießt die Bremer Discomeile einen zweifelhaften Ruf. Gestern wurde ein 23-Jähriger zu acht Jahren Haft verurteilt, weil er im Streit einen 19-Jährigen niederstach

von Jan Zier

Zunächst einmal ist die Bremer „Discomeile“ ein eher trostloser Ort. In der Bahnhofsvorstadt gelegen, versammelt sie entlang einer Bausünde aus den Sechzigern, „Hochstraße“ genannt, gut 20 Discos und Bars. Seit einiger Zeit indes genießt die Meile den Ruf des Verruchten. Von Schutzgelderpressung ist dann die Rede, von Drogenhandel, von Banden im Türsteher-Milieu. Und von Schlägereien.

Auch Osman D. ist dort in einen Streit geraten, im vergangenen November, unweit der Disco „La Viva“. „Eine ganz normale Rauferei“, wie Richter Harald Schmacke es gestern nannte. Warum und wieso es dazu gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Fest steht nur, dass Harun B. auch dabei war.

Man kloppte sich, zog seine Hosengürtel – und irgendwann auch ein Taschenmesser. „Aus Abschreckung“, wie B. sagte. Dass er seinem 19-jährigen Kontrahenten eine Stichwunde unterhalb des Schlüsselbeins zufügte, will er nicht gemerkt haben. Osman D. war sofort tot.

Eine Köperverletzung mit Todesfolge, entschied das Landgericht Bremen gestern. Und schickte Harun B. acht Jahre in den Knast. Ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar neun Jahre gefordert – wegen Totschlags. Das aber setzt voraus, dass der 23-Jährige wirklich hatte töten wollen. Diesen Vorwurf mochte ihm Schmacke nicht machen, zumal aus dem Angeklagten nichts herauszubekommen war. Sein Pflichtverteidiger hatte sich auf Notwehr berufen und Freispruch verlangt.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft das Urteil gestern nicht kommentieren wollte: Es dürfte durchaus in ihrem Sinne sein. Schließlich war es nicht die erste Gewalttat auf der Discomeile. Da kennt Staatsanwalt Uwe Picard „keine Toleranz“ mehr. Da ist er „kratzbürstig“, wie er stolz sagt.

Anfang Januar wurden bei einer Schießerei zwischen rivalisierenden Türstehern sechs Menschen verletzt. Fünf Tatverdächtigte kamen in Untersuchungshaft, im August soll Anklage erhoben werden. Szene-Kenner sprechen davon, dass das Türsteher-Milieu „fest“ in den Händen organisierter Kriminalität sei. Und die Disco-Betreiber, so heißt es, seien „längst nicht mehr Herr im eigenen Haus“.

Seither hören Polizei und Justiz das Gras wachsen, allerlei Schlägereien landeten seither schon vor den Bremer Gerichten. „Das soll man ruhig anklagen“, sagt Picard. Selbst Werder-Stürmer Aaron Hunt wurde schon bei einer Prügelei auf der Meile gesichtet.

Die Polizei tut ihr übriges, „das Dunkelfeld“ am Bahnhof „zu erhellen“: Bei den umfänglichen Kontrollen nach jener Schießerei seien 65 Waffen beschlagnahmt worden, verkündete der CDU-Innensenator Ende Februar: Schreckschusspistolen, Messer, Schlagringe. 106 Strafanzeigen kamen ins Rollen. Einen Zusammenhang haben all diese Verfahren – so wird stets betont – nicht. Der Ort macht‘s. Und dieser Geruch – einer Metropole.