Ausbruch aus der Einzelzelle

Erstmals ist in einem Berliner Knast ein schwules Paar eine Lebenspartnerschaft eingegangen. Nun möchten sie zusammenziehen. Aus vollzugstechnischen Gründen wird ihnen dies aber verwehrt

von PLUTONIA PLARRE

Selbstbewusstsein demonstrieren und Rechte einfordern. Das ist das Motto der diesjährigen schwul-lesbischen „Pride Week“, die am Wochenende mit dem Stadtteilfest am Nollendorfplatz begann und am kommenden Samstag mit der großen Christopher-Street-Day-Parade endet. Auf zwei schwule Gefangene der Justizvollzugsanstalt Tegel scheint das Motto wie zugeschnitten: Andreas H.-J. und Thomas J. sind das erste homosexuelle Paar, das in einem Berliner Gefängnis eine standesamtlich beglaubigte Lebenspartnerschaft eingegangen ist. Nun kämpfen die beiden dafür, in einer Gemeinschaftszelle den Rest ihrer Haftzeit verbringen zu können. „Das natürlichste aller Rechte unter Eheleuten, das Recht auf eine gemeinsame Wohnung, im konkreten Fall der gemeinsamen Unterbringung, wird uns verweigert“, schreiben die beiden der taz.

Die Urkunde, mit der die Häftlinge im Beisein eines Standesbeamten den Lebenspartnerschaftsbund geschlossen haben, trägt das Datum 26. April diesen Jahres. Danach hat Thomas J. seinen Namen behalten und Andreas einen Doppelnamen angenommen. Berlinweit werden jährlich rund 300 Lebenspartnerschaften von Schwulen und Lesben vor dem Standesamt eingegangen.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen könne sie sich nur sehr allgemein zu den beiden Insassen äußern, sagt Justizsprecherin Juliane Baer-Henney. Andreas H.-J. sei Mitte zwanzig. Thomas J. Mitte dreißig. Beide säßen wegen Vermögensdelikten ein und hätten in „absehbarer Zeit, aber nicht mehr in diesem Jahr“, ihre Strafe verbüßt.

Wenig Zeit füreinander

„Wir sind beide inhaftiert und haben uns in der Teilanstalt VI, wo wir auf getrennten Stationen untergebracht sind, kennen gelernt“, schreiben die Betroffenen. Da sie das erste homosexuelle Paar seien, das im Knast eine Lebenspartnerschaft eingegangen sei, mangele es an Verwaltungsvorschriften, die den Umgang mit verheirateten Gefangenen regelten. „Für die Justiz ist das Ganze eine Grauzone. Für uns ist es die Hölle.“

Zurzeit können sich die beiden nur während der allgemeinen Umschlusszeiten im Haus VI gegenseitig in ihren Zellen besuchen. Ihr Antrag, auf einer Station in einem Haftraum untergebracht zu werden, sei von den Verantwortlichen abgelehnt worden. Die Begründung: Dies würde „eine Bevorzugung gegenüber anderen Inhaftierten darstellen, die ihre Ehepartner nicht bei sich haben könnten“, heißt es in dem Brief.

Nicht genug damit, dass sie sich keine Zelle teilen dürften – sie würden auch von anderen Insassen gemobbt, seit sie ihre Homosexualität öffentlich gemacht und sich zueinander bekannt hätten. Auch von den Justizbediensteten würde das Mobbing „mehr als wohlwollend“ geduldet.

Justiz: keine Grauzone

Es handele sich zwar um die erste Lebenspartnerschaft in den Berliner Vollzugsanstalten. „Für uns ist das Ganze aber ziemlich unspektakulär“, sagt Justizsprecherin Baer-Henney. Was die Vorschriften angehe, gebe es jedoch keine Grauzone. Im Strafvollzugsgesetz sei eindeutig geregelt, wann eine Zusammenlegung von Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle in Betracht komme – und wann nicht. Homosexualität und Partnerschaft an sich seien kein Hinderungsgrund für eine Zusammenlegung, versichert die Justizsprecherin: „Das wäre doch sexuelle Diskriminierung.“

Einziges Kriterium sei, ob die Vollzugssituation ein Zusammenlegen der Möchtegern-Zellennachbarn erlaube. Ein Häftling, der auf den offenen Vollzug beziehungsweise die vorzeitige Entlassung vorbereitet werde, könne nicht mit einem Gefangenen die Zelle teilen, der bis auf Weiteres im geschlossenen Vollzug verbleibe. Der Justizsprecherin zufolge ist genau das bei dem Paar das Problem.

Von der behaupteten Diskriminierung durch andere Gefängnisinsassen und Justizvollzugsbeamte sei ihr nichts bekannt, sagt Baer-Henney. Die JVA-Bediensteten seien grundsätzlich gehalten, gegen jedes wie immer geartete Mobbing vorzugehen.

Der Chefredakteur des schwul-lesbischen Stadtmagazins Siegessäule, Holger Wicht, zollt Andreas H.-J. und Thomas J. seine Hochachtung für ihr offensives Vorgehen. „Sich in der rauen Männergesellschaft des Knastes selbstbewusst als schwul zu zeigen, das ist mutig.“ Auch mit Blick auf die „Pride Week“ spricht der Journalist von einem „tollen Signal“, das da von Tegel ausgehe.