Dem Brustkrebs auf der Spur

Das erste von insgesamt vier Früherkennungszentren für Brustkrebs in Berlin nimmt den Betrieb auf. Frauen zwischen 50 und 69 sollen sich hier ihre Brüste alle zwei Jahre kostenlos röntgen lassen

von WALTRAUD SCHWAB

„Ich will Sicherheit“, sagt eine Frau, die soeben aus dem ersten Berliner Zentrum zur Brustkrebsfrüherkennung unweit des Kurt-Schumacher-Platzes kommt. Sie hatte von der neuen Einrichtung gehört, die gestern in Berlin ihren Betrieb aufnahm, und sich sofort um einen Termin bemüht. Eigentlich ist diese Selbstinitiative nicht notwendig. Denn alle etwa 430.000 Berlinerinnen, die zwischen 50 und 69 Jahre alt sind, sollen demnächst angeschrieben werden. Ihnen wird die Möglichkeit geboten, sich im Zwei-Jahres-Turnus ihre Brüste kostenlos röntgen zu lassen.

Das erste Zentrum in Berlin ist für Bewohnerinnen aus Spandau, Mitte und Reinickendorf zuständig. Drei weitere Zentren werden gegen Ende des Jahres in der Stadt eingerichtet, um auch Frauen aus den anderen Bezirken diese Brustkrebsfrüherkennung zu ermöglichen.

An Brustkrebs erkranken jährlich 47.000 Frauen in Deutschland neu. 18.000 Frauen sterben jedes Jahr daran. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 63 Jahren. Dies erkläre, warum die Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahren angesprochen werde, sagt die Radiologin Lisa Regitz-Jedermann. Sie leitet diese erste Einheit des flächendeckenden Mammografie-Screenings in Berlin.

In Großbritannien, Schweden und den Niederlanden wurden flächendeckende Mammografie-Screenings bereits vor 20 Jahren eingeführt, in Norwegen existiert diese Art der Brustkrebsfrüherkennung seit zehn Jahren. Vergleichsstudien aus diesen Ländern zeigen, dass die Sterblichkeit um ein Viertel gesenkt werden könne, erklärt Regitz-Jedermann. Der weit größere Effekt allerdings: Durch diese Früherkennung können kleine Tumore mit einem halben Zentimeter Durchmesser entdeckt werden. Tumore hingegen, die bei Tastuntersuchungen gefunden werden, sind meist bereits über einen Zentimeter groß. Damit ist die Chance hoch, dass sie auf andere Organe gestreut haben.

Der Bundestag hat 2002 die flächendeckende Brustkrebsfrüherkennung beschlossen. Die Kosten werden von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen getragen. Da die Früherkennung allen Frauen angeboten wird – auch jenen, die nicht versichert seien –, muss zudem der öffentliche Träger Kosten übernehmen. Laut Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sind gerade durch Hartz IV vermehrt Menschen aus finanziellen Gründen nicht mehr krankenversichert.

Um das Screening etablieren zu können, musste in Berlin das Meldegesetz geändert werden. Denn alle Frauen in der besagten Altersgruppe müssen angeschrieben werden. Dabei wird ihnen ein Terminvorschlag gemacht. Lassen sie ihn verstreichen, wird ein zweites Angebot gemacht. Danach müs- sen die Meldeadressen aus datenschutzrechtlichen Gründen wieder gelöscht werden. Damit die Brustkrebsfrüherkennung sowohl gesundheitsbezogen als auch wirtschaftlich erfolgreich ist, müssen mindestens 70 Prozent der betroffenen Frauen daran teilnehmen. Sinnigerweise werden übrigens zum Start in Berlin zuerst jene Frauen eingeladen, die kurz vor ihrem 70. Geburtstag stehen, um ihnen diese kostenlose Früherkennung noch zu ermöglichen, sagt Regitz-Jedermann.

Mit der Einführung des Screenings wird auch das lange geforderte Krebsregister auf solide Beine gestellt. Es ist ein statistischer Grundlagenatlas, der für die Krebsforschung unerlässlich ist. In der DDR gab es ein Krebsregister, in der BRD jedoch nicht.

Problematisch an der Brustkrebsfrüherkennung ist: Sie wird an gesunden Frauen durchgeführt. Dies zwinge die Verantwortlichen dazu, größte Vorsicht walten zu lassen, meint Regitz-Jedermann. Die Mammografie-Screening-Zentren sind nach europäischen Richtlinien zertifiziert. „Die Geräte, die wir haben, sind auf dem absolut neuesten Stand“, bestätigt sie beim Rundgang durch das Früherkennungszentrum. Es wird mit digitaler Technologie gearbeitet. Jede Röntgenaufnahme wird von zwei Ärzten „befundet“. Sind sie sich uneins, wird ein dritter hinzugezogen. Nur Ärzte, die jährlich mindestens 5.000 Aufnahmen analysiert haben, dürfen die Befundung durchführen. Auch Gewebeproben werden von zwei Pathologen doppelt befundet. Das sei ein Berliner Besonderheit, sagt Regitz-Jedermann.

Trotz all dieser Vorteile hat das Mammografie-Screening auch KritikerInnen. Denn neben der Röntgenbelastung, die zehn Prozent der natürlichen jährlichen Strahlung ausmacht, gibt es die Möglichkeit falscher Befunde. Damit würden unter Umständen gesunde Frauen in die Angstspirale, die Brustkrebs mit sich bringt, geschleudert. Dieses Risiko allerdings war bei den bisherigen unkontrollierten Mammografien auch gegeben. Weitere Kritikpunkte: Das Screening erfasst aggressive, schnell wachsende Tumore durch seinen Zwei-Jahres-Rhythmus nicht. „Mammografie ist eben kein Freibrief“, sagt die Klientin, die das Angebot gleich am ersten Tag nutzte. „Ich taste meine Brüste sowieso regelmäßig ab.“