Die Tsunami-Warnungen kamen nicht an

In Indonesien fordert ein Tsunami an Javas Südküste mindestens 339 Tote und zeigt, dass der Katastrophenschutz noch immer nicht funktioniert. Die Warnungen der Experten aus Hawaii und Japan erreichten die Fischerdörfer und Badeorte nicht

VON NICOLA GLASS

Einen Tag nach dem von einem Seebeben vor der indonesischen Insel Java ausgelösten Tsunami ist die offizielle Zahl der Opfer stark gestiegen: Gestern meldeten Behörden und Hilfsorganisationen mindestens 339 Tote, darunter auch europäische Touristen. Mehr als 160 Menschen würden noch vermisst. Besonders schwer betroffen ist der Ferienort Pangandaran an Javas Südwestküste. Dort starben mindestens 181 Menschen. Zwei Meter hohe Flutwellen hatten am Montag Häuser, Fischerdörfer und Hotelanlagen zerstört. 25.000 Menschen flohen aus Angst vor einem weiteren Tsunami aus dem Gebiet. Laut deutscher Botschaft in Jakarta sind unter den Toten keine Deutschen.

Das Erdbeben hatte Westjava am Montagnachmittag gegen 15.20 Uhr Ortszeit getroffen. Nach Angaben der indonesischen Erdbebenwarte hatte es die Stärke 5,5 auf der Richterskala. US-Erdbebenexperten gaben die Stärke dagegen mit 7,2 an. Die Tsunamizentren auf Hawaii und in Japan hatten gewarnt, das Beben, dessen Epizentrum 250 Kilometer vor der Küste unter dem Indischen Ozean lag, könne Flutwellen vor Java und Sumatra verursachen. Doch die Warnungen erreichten die Menschen nicht, da lokale Warnsysteme noch nicht funktionsfähig sind.

Für die Menschen am Indischen Ozean dürfte die jüngsten Katastrophe wieder die schrecklichen Bilder des Tsunami vom 26. Dezember 2004 heraufbeschworen haben. Er hatte unter anderem in Indonesien, Indien, Sri Lanka und Thailand mindestens 220.000 Menschen getötet. Am schwersten betroffen war die indonesische Provinz Aceh im Norden Sumatras. Damals war kritisiert worden, dass es für den Indischen Ozean kein Frühwarnsystem gab.

Anfang März 2005 hatte deshalb die Zwischenstaatliche Ozeanographische Kommission (IOC) der Unesco beschlossen, im Verlauf dieses Jahres ein Frühwarnsystem für den Indischen Ozean einzurichten. Thailands Vorstoß, das seit 1986 in Bangkok ansässige und von der UNO getragene Asian Disaster Preparedness Center zur federführenden Regionaleinrichtung auszubauen, war von Indonesien und Indien abgelehnt worden. Beide Länder wollten lieber bereits vorhandene nationale Warnzentren stärken.

Erst kürzlich hatte Unesco-Generaldirektor Koichiro Matsuura angekündigt, das entsprechende System werde ab Ende Juli imstande sein, Erd- und Seebeben besser lokalisieren und entsprechende Warnungen rascher weitergeben zu können. Von etwa 28 möglichen Informationszentren seien bereits 26 rund um den Indischen Ozean etabliert worden, so Matsuura. Der Knackpunkt jedoch bleibt die Frage der internationalen Kooperation: Erst nach der Etablierung des regionalen Warnsystems wird sich abzeichnen, inwieweit Kommunikation und Datenübermittlung zwischen den einzelnen Ländern tatsächlich funktionieren.

Wesentlicher Bestandteil dieses überregionalen Frühwarnsystems ist der Aufbau eines nationalen Systems für Indonesien. Das Projekt wird vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) betreut. Laut offizieller Angaben verfügt Indonesien mittlerweile über fünf Erdbeben-Messstationen statt ursprünglich nur einer. Das deutsche Forschungsschiff „MS Sonne“ hatte im vergangenen Herbst bereits Bojen vor Indonesiens Küsten ausgesetzt, die Daten über Ort und Stärke eines Bebens und auch einen möglichen Tsunami in Echtzeit an die entsprechenden Warnzentren weiterleiten sollen. Fertig sein wird das Warnsystem nach GFZ-Angaben erst ab Ende 2008.

Für viele Menschen im von Naturkatastrophen heimgesuchten Indonesien kommen indes alle Bemühungen zu spät. Denn die Tsunami-Warnungen der Experten auf Hawaii und in Japan erreichten die Menschen in Südjava nicht. Ihnen blieb nur die Flucht in höher gelegene Gebiete, sollten sie gemerkt haben, dass sich das Meer vom Strand zurückzieht.