STEUERGELDER SENKEN LÖHNE – UND HEBEN SIE DANN WIEDER AN
: Nur der Mindestlohn würde helfen

Die Gegner des Kombilohns brauchen sich nicht aufzuregen, während seine Anstifter insbesondere aus der Union zu Unrecht stolz sind. Das Programm „50 plus“, das Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) gestern im Kabinett vorstellte, bringt auch nicht viel mehr Kombilohn, als es schon gibt. Es handelt sich bei Münteferings Initiative vielmehr um zwei weitere von vielen Wegen, einen Lohn mit Steuergeld aufzustocken, um Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses zu ermuntern. Diesmal für Ältere – demnächst auch für junge Leute. Die Frage ist bloß, ob damit ein Problem gelöst ist. Die Antwort lautet selbstverständlich Nein.

Das Geld, das Müntefering nun auf diese Weise verteilt, wird anderswo fehlen. Schließlich ist die Koalition gerade dabei, mit der Unternehmensteuerreform die Staatseinnahmen weiter zu schmälern. Die Jobs, die Müntefering sponsern möchte, werden andere nicht bekommen. Schließlich ist der aktuelle Aufbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung minimal und aller Voraussicht nach bald vorbei. Der Aufschub des Renteneintrittsalters ab 2012 wird alle treffen – nicht nur die sehr großzügig geschätzten 100.000 neu eingestellten 51- oder 55-Jährigen, die sich ein bisschen mehr Rente erarbeiten dürfen.

Hinter der Kombilohndebatte aber steht das Rätsel, ob die Sozialdemokraten tatsächlich weiter daran mitwirken wollen, die Löhne so weit zu senken, bis die Arbeitgeber die überzähligen Arbeitnehmer endlich nehmen. Um einen nach EU-Kriterien noch erträglichen Armutsstandard zu halten, müssten freilich sämtliche Folgekosten aus Steuern bezahlt werden. Denn die beitragsfinanzierten Sozialsysteme brechen dann zusammen. Einzig erkennbare Alternative dazu wäre ein Mindestlohn etwa nach britischem Vorbild.

Hierüber aber schweigt sich die SPD-Spitze bisher verdächtig aus. Angekündigt ist nur eine umfassende Debatte für den Herbst. Wie aber solche Debatten aussehen, durfte man schon erleben: Entweder knallt Müntefering ein Konzept auf den Tisch – oder er lässt eine Idee mutwillig zerstören. Hier ein Tipp für den Mindestlohn: Zweiteres wird passieren. ULRIKE WINKELMANN