Fremdenfeindlicher Angriffsfußball

Nicht nur Materazzi beleidigt seine Gegner – im niederklassigen Fußball gehören Verbalattacken offenbar zur Taktik

Bei fast jedem Auswärtsspiel hat es der brandenburgische Verbandsligist SV Altlüdersdorf nicht nur mit dem sportlichen Gegner zu tun. Beinahe jedes Mal, wenn die Lila-Weißen auf des Gegners Platz antreten, werden sie konfrontiert mit ausländerfeindlichen Verbalangriffen. Ob in Frankfurt (Oder) oder Schwedt – Sprüche wie „lernt doch endlich Deutsch“ gehören meistens dazu, wie der jugoslawischstämmige Spieler Dalibor Sebastijanović nüchtern erzählt.

„Was soll man machen?“, fragt sich der Mittelfeldspieler. „Wir sind doch bloß zum Fußballspielen da.“ Sebastijanović weiß, dass er und sein Verein nicht die Einzigen sind, die angefeindet werden. „Ein Freund spielt in Rathenow. Dem geht es genauso.“ Auch Trainer Hans Oertwig beklagt: „So etwas kommt leider häufig vor.“ In einem ähnlichen Fall antwortete der Nigerianer Adebowale Ogungbure im März diesen Jahres den Beschimpfungen beim Spiel seines Vereins Sachsen Leipzig in Halle mit dem Hitlergruß. Der Vorfall erregte erstmals öffentliches Interesse für die übermäßigen ausländerfeindlichen Sprüche im Fußball, speziell in Ostdeutschland.

Ein neues Negativerlebnis dieser Art hatte der SV Altlüdersdorf am Ende der vergangenen Saison in Burg. Für die Gäste ging es noch um die Meisterschaft der Verbandsliga Brandenburg und damit den Aufstieg in die Oberliga. Ein „nicht gekanntes Maß“ an Aggression erlebten die Spieler und Verantwortlichen dort nach eigener Aussage.

„Das war unterhalb jeder Gürtellinie“, berichtet ein Akteur der damaligen Gastmannschaft. Die Fans, Funktionäre und Spieler der Hausherren hätten die Gästespieler über 90 Minuten beschimpft. Vor allem Sebastijanović, der Serbe Marko Lalić, der Erstliga-erfahrene Dejan Kljajić, der afrikanischstämmige Fredrek Debrah und der damals noch für Altlüdersdorf aktive Brasilianer Lima wurden auf das Übelste beleidigt. „Verpisst euch, ihr Kanaken“ war noch einer der harmloseren Sprüche. Nach neunzig Minuten waren die Gäste aus Altlüdersdorf entnervt, hatten neun Gelbe und eine Gelb-Rote Karte gesehen und Burg die Partie mit 2:0 gewonnen. „Durch diese Niederlage haben wir alles verloren“, meint Debrah, der seit etlichen Jahren in Deutschland lebt und deutscher Staatsbürger ist.

Peter During, Vorsitzender der beschuldigten SG Burg, konnte nach eigener Aussage „die Vorwürfe in keiner Weise bestätigen. Klar, da ruft mal jemand ‚Sau‘, aber das ist im Fußball leider so.“ Darüber hinaus sei nichts vorgefallen. Verantwortung für das eigene Publikum wies During von sich. Auch der Schiedsrichter meldete dem Verband keine besonderen Vorkommnisse. Da dieser nur aus der Zeitung von den Ereignissen erfuhr, sah er „von einer längeren Untersuchung ab“, wie Staffelleiter Dieter Jording erklärte. Die Altlüdersdorfer ihrerseits verzichteten auf eine schriftliche Beschwerde. „Wir hatten schon vorher kleinere Probleme mit dem Verband und haben uns wenig Chancen ausgerechnet“, erklärt Fritz Müller, der Vorsitzende des SVA, das Verhalten seines Vereins.

Der Verband seinerseits scheint die Augen zu verschließen. Solche Vorfälle wie der in Burg seien nie zuvor passiert, heißt es von Verbandsseite ganz lapidar. Für die kommende Saison ist die Partie Altlüdersdorf gegen Burg für den ersten Spieltag angesetzt worden. Das sei nun nicht mehr zu ändern, kommentierte Staffelleiter Jording. Trainer Oertwig und Vorsitzender Müller hingegen sprachen „von wenig Fingerspitzengefühl“. Bei den Spielern spuken die Ereignisse der nur rund zwei Monate zuvor ausgetragenen Partie noch in den Köpfen herum. Von den eigenen Fans erhofft sich Fritz Müller zu dieser Partie „eine Aktion, die Solidarität mit den eigenen Spielern“ und Ablehnungen der Ausländerfeindlichkeit demonstrieren soll. Der Verband hat immerhin angekündigt, dass das Spiel „unter besonderer Beobachtung steht und im Wiederholungsfall drastische Strafen drohen“. Das erscheint nicht wirklich ausreichend, um den Rassismus von den Fußballplätzen niederklassiger Vereine zu vertreiben. NIELS MÜLLER