Repressive Politik zeigt Wirkung

Die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland sinkt auf ein Rekordtief. SPD und Grüne fordern weniger Abschreckung durch die Politik. NRW will sogar eine Einbürgerungskampagne. Doch damit bleibt das Land Außenseiter unter den Unions-Ländern

VON KATRIN RÖNICKE

Es waren die üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Union, die vergangene Woche versuchten, eine erneute Debatte um die deutsche Leitkultur aufzuwärmen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) schlugen in die alte Kerbe und forderten klare Bekenntnisse von Einbürgerungswilligen zur Deutschen Heimat.

„Das Geläut der Kirchenglocken charakterisiert unser Land, nicht der Ruf der Muezzins“, erklärte Koch und zeigte damit, worum es ihm geht: Wie auch Beckstein, so fürchtet der hessische Landesfürst anscheinend ein Überhandnehmen deutscher Staatsbürger, welche die hiesige christlich-abendländische Kultur nicht genug verinnerlichten. Für diese Befürchtung scheint es aber keinen Grund zu geben.

So berichtete das Statistische Bundesamt gestern, dass die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 1998 gefallen sei. Damit habe sich ein seit 2001 bestehender Trend fortgesetzt. 2005 gab es insgesamt 117.000 Neudeutsche, das waren 10.000 weniger als im Vorjahr.

Volker Beck (Grüne) wertete dies als Symptom einer versagenden Integrationspolitik. „Anscheinend gibt es zu vieles, was Zuwanderer abschreckt, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen“, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gegenüber der taz. Er forderte eine erneute Debatte über die so genannte doppelte Staatsbürgerschaft ein. Dagegen hatte Roland Koch seinerzeit vehement mit einer großen Unterschriften-Kampagne gekämpft.

Einen ganz anderen Ton schlägt der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) an. Deutschland brauche mehr Einbürgerung. „Alle, die das hinter sich haben, sind ein Integrationserfolg.“ Aus diesem Grund hat das Kabinett Rüttgers beschlossen, eine Einbürgerungskampagne zu starten, in der man Menschen einladen will, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Mit Blick auf seine Kritiker sagte Laschet: „Sie reden als Erstes über Sanktionen und nicht über die große Chance, die wir dadurch haben, dass diese Menschen da sind.“ Bislang steht der CDU-Politiker in seiner Partei noch recht einsam da, Koch sieht in ihm gar einen Außenseiter.

Freunde hat er dagegen in der SPD: Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy sagte der taz: „Die Zurückhaltung der Ausländer, sich einzubürgern, hat viel mit der Misstrauenskultur zu tun, die hier herrscht.“ Er regte an, Bürgermeister und Landräte sollten sich an Migranten wenden, die schon zehn Jahre in Deutschland leben, sie aktiv anschreiben und ihnen vorschlagen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Auf diese Weise könnte die Politik etwas gegen das öffentliche Klima tun, das „nicht gerade einbürgerungsfördernd“ sei.

Die Innenministerkonferenz dagegen hatte im Mai beschlossen, das Einbürgerungsrecht noch weiter zu verschärfen. Anfang Juli wollten die Länder Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein eine Entschließung in den Bundestag einbringen um Druck auf die Regierung auszuüben, möglichst bald ein neues Gesetz über einen bundesweiten Einbürgerungstest zu haben. Bisher ist das allerdings noch nicht geschehen. Das neue Einbürgerungsgesetz soll nach den Wünschen der drei Vorprescher schon im Herbst vom Bundestag beschlossen werden und im Januar 2007 greifen.