Aufstand der Klassenlosen

Ob Pensionierung, Mittelkürzung oder Ekel vor Klüngel und Ökonomisierungsdruck: Professoren verlassen die Universität der Künste. Die Fakultät Bildende Kunst steht kurz vor dem Ausnahmezustand – und demonstriert das Verschwinden der Kunst

VON JAN KEDVES

Ein weißes Nichts. Wer heute oder am Wochenende den traditionellen „Rundgang“ an der Universität der Künste besucht, wird sich die Augen reiben. In der Fakultät Bildende Kunst warten leere Wände. Und das keineswegs als Vorboten eines neuen Minimalismus, sondern schlicht und einfach: als Boykott, als Hilferuf, als Verzweiflungstat.

Mindestens sechs Klassen der Fakultät haben beschlossen, bei der diesjährigen Leistungsschau der Universität nichts zu zeigen. „Aktion weiße Wände“ nennt sich der Zusammenschluss der Kunststudenten, die nächste Woche, in einem selbst organisierten Raum in Wedding, eine alternative Schau namens „Außer Haus“ auf die Beine stellen. „Wir weigern uns, das marode System der UdK zu repräsentieren“, heißt es in einem alarmierenden Statement der Gruppe. Keine Frage: Im Studiengang Bildende Kunst brodelt es heftig.

Die Zusammenschrumpfung der Fakultät von drei Häusern auf eines, die Mittelkürzungen, das Parallellaufen des Meisterklassen-Systems der Künstler mit dem Bachelor/Master-System der Lehramtstudierenden und eine zunehmend rigider durchgreifende Verwaltung haben das Arbeitsklima an der Fakultät vergiftet.

Nach diversen Pensionierungen bleibt derzeit beinahe die Hälfte der Professuren an der Fakultät unbesetzt. Auf der anderen Seite schiebt die Verwaltung den Wunsch einzelner, verdienter Professoren nach Verlängerung ihrer Dienstzeit mit uneinsichtigen Begründungen auf die lange Bank. Im gerade abgelaufenen Semester standen 61 Studenten ohne Klasse, sprich: ohne Professor da. Und das an einer Hochschule, die sich nach wie vor als beste Ausbildungsstätte für Bildende Kunst in Deutschland versteht.

„Es herrscht keine produktive Stimmung in diesem Haus“, bestätigt Katharina Jedermann, künstlerische Lehrkraft am zur Fakultät gehörenden Institut für Kunst im Kontext. Sylvia Schedelbauer, Mitorganisatorin eines Symposiums „UdK 3000“, das der aktuellen Krise auf den Grund gehen will, drückt es weit unverblümter aus: „Alle sind mit ihren Nerven am Ende. Es geht nichts mehr vorwärts.“

Das Hauptproblem scheint zu sein, dass die Kunststudenten das alte Meisterklassensystem als zu hermetisch empfinden und ein Bachelor- und Mastersystem, das auf wesentlich mehr Prüfungen aufbaut, ablehnen. Bei den Professoren der Lehramtstudiengänge, die sich mit den gewachsenen Präsenzpflichten schwer tun, hat die Einführung des BA/MA gar zu einem Kopf-in-den-Sand-Syndrom geführt hat. Elia Kragerud, Mitorganisatorin der „Aktion weiße Wände“: „Es findet keine Umstrukturierung statt in dem Sinne, dass beispielsweise Blockveranstaltungen gefördert werden, zu denen alle Studenten Zugang haben.“

So richtig zum Überkochen brachte die Stimmung allerdings erst die Nachricht, dass die Studenten ab dem kommenden Wintersemester auf drei international angesehene Künstlerprofessoren verzichten müssen: Daniel Richter, Stan Douglas und Anthony Cragg, in deren Glanz die UdK erst seit kurzem strahlt, haben schon wieder gekündigt – aus, so ist man sich in der Studentenschaft sicher, Protest gegen den von ihnen erwarteten Spagat zwischen dem Ideal der freien Kunstlehre und dem gleichzeitig wachsenden Ökonomisierungsdruck. Die Klasse für Fotografie und Neue Medien von Stan Douglas, die gegen die Kündigung ihres Professors beim Präsidenten der UdK Protest einlegte, musste sich vorwerfen lassen, sich von Douglas instrumentalisieren zu lassen.

Um die Zahl der Klassenlosen nicht weiter ansteigen zu lassen, sind indes – so heißt es zumindest von Seiten der UdK-Pressestelle – die Studenten aufgefordert worden sein, Listen mit Wunschkandidaten einzureichen. Die sollen dann unbürokratisch dazu bewegt werden, als Gastprofessoren einzuspringen. Darüber hinaus teilte die UdK am Mittwoch stolz mit, der isländische Künstler Olafur Eliasson habe den Ruf zum Professor erhalten. Dass er zum 1. Oktober an der Fakultät seinen Dienst antrete, sei „relativ wahrscheinlich“. „Wir freuen uns auf einen jungen, weltweit sehr erfolgreichen und ungeheuer einfallsreichen Künstler – der glücklicherweise auch schon in Berlin lebt“, sagt UdK-Präsident Martin Rennert in der Pressemitteilung.

In welche Richtung es an der UdK allerdings abseits solcher Schönheitsreparaturen künftig gehen könnte, darüber soll das heutige, von UdK-Studenten organisierte Symposium „UdK 3000“ Aufklärung verschaffen. „Innerhalb der Fakultät laufen momentan ausschließlich selbstzerstörerische Diskussionen ab“, sagt Mitorganisator Joel Mu, „deswegen haben wir viele Teilnehmer von außerhalb eingeladen, um neue Ideen und neuen Enthusiasmus reinzubringen.“ In den prominent besetzten Panels soll zum Beispiel diskutiert werden, wie sinnvoll es überhaupt ist, dass sich deutsche Kunstakademien weiterhin der BA/MA-Reform entziehen.

Für eines der Panels hat sich auch Präsident Rennert angekündigt. An dem Video-Statement, das Daniel Richter – als wohl letzte Amtshandlung seiner Professur – für das Symposium vorbereitet hat, dürfte Rennert allerdings zu knabbern haben. Von den Reibereien der letzten Monate noch sichtbar angegriffen, regt sich der norddeutsche Malerstar da über „Verfilzung“, „Klüngel“ und „Bruttosozialproduktisierung der Künste“ auf und prognostiziert: „Die Schule wird auf irgendeine Art und Weise zerbröseln, zu einer mehr oder weniger prächtigen Ruine.“ Seine (Noch-)Studenten wird das wohl nicht besonders trösten.

Symposium „UdK 3000 über die Lehre der Kunst“ beginnt heute, 17 Uhr, Raum 110 in der UdK, Hardenbergstr. 133