„Israel hat das Recht, sich zu verteidigen“

In der eskalierenden Auseinandersetzung im südlichen Libanon ist die Hisbollah der Aggressor. Anders sieht die Lage in Gaza aus, wo Israel womöglich vorschnell militärisch reagiert hat, so der jüdische Franzose Theo Klein

taz: Herr Klein, muss man als Jude Israel unterstützen?

Theo Klein: Unter den gegenwärtigen Umständen ja. Insbesondere angesichts der Ereignisse im Norden meinen die meisten Juden, dass Israel das Objekt einer Attacke ist.

Gibt es da Nuancen?

Es gibt jene, die meinen, dass die israelische Regierung tut, was sie zu tun hat. Und jene, die sich fragen ob die Bombardierung des Flughafens und die Zerstörung anderer Infrastrukturen wirklich nötig waren, um die Hisbollah zu bekämpfen. Aber man staunt über den Umfang des Waffenarsenals der Hisbollah, hinter der der Iran steht.

Ist Krieg also auch in Gaza die einzige Alternative?

Ich hätte es vorgezogen, in Gaza erst zu verhandeln. Vielleicht hätte das Früchte getragen. Im Norden ist die Lage anders. Das ist eine internationale Affäre, in der die Israelis nichts anderes tun, als sich zu verteidigen.

Aber was gibt Israel das Recht, Krieg gegen ein anderes Land zu führen?

Jedes Land hat das Recht, sich zu verteidigen, wenn es auf seinem Territorium angegriffen wird. Und zwar indem es den Krieg auf das Territorium des Angreifers trägt. Das sind die Gesetze des Krieges.

Und der Verhandlungstisch?

Wenn Sie von einer Kraft wie der Hisbollah attackiert werden, die keine Regierung ist, sondern nur von sich selbst abhängt beziehungsweise indirekt von einer anderen Regierung – mit wem wollen Sie da verhandeln?

Es gibt internationale Organisationen.

Sie sollten diese Frage dem Generalsekretär der UNO stellen.

Ich frage aber Sie, weil der Zentralrat in Deutschland und das Crif in Frankreich Anzeigen schalten, um Israel zu unterstützten.

Das ist kein Engagement für Israel. Das ist eine Solidarität, die auf einer gemeinsame Vergangenheit gründet. Gewisse Ereignisse, die Sie kennen und derer sich Deutschland erinnert, haben das leider verstärkt.

Als Deutsche kann ich das verstehen. Einer Libanesin würde es sicher schwer fallen, dieses Argument zu akzeptieren.

Auch die Libanesen haben sich mit Dingen solidarisch erklärt, die anderswo passiert sind.

Anders als die deutsche Regierung hat die französische die Bombardements schnell verurteilt. Chirac hat schon vor fast einer Woche seinen Premierminister und seinen Außenminister nach Beirut geschickt.

Das finde ich sehr gut. Frankreich liebt und unterstützt den Libanon. Weder der Premierminister noch der Außenminister, noch der Präsident haben die geringste Kritik an Israel.

Wie bitte?

Sie haben verlangt, dass der Krieg aufhört – von beiden Seiten. Und der französische Präsident wünscht, dass sich die Hisbollah aus dem Süden des Libanon zurückzieht. Verantwortlich sind die Hisbollah, der Iran und ein bisschen Syrien – das scheint mir auch die Analyse der französischen Regierung zu sein.

Was kann die EU tun?

Die EU hat ihren diplomatischen Verantwortlichen vor Ort geschickt. Sie beteiligt sich an Kontakten und Verhandlungen. Was soll sie mehr tun? Die europäischen Länder haben keine unmittelbaren Interventionsmittel auf einem Schlachtfeld, das weit entfernt ist.

Es handelt sich immerhin um unsere Nachbarn.

Wenn es eine internationale Entscheidung gäbe, eine militärische Kraft zu schicken, um die Kämpfer zu trennen, würde die EU das unterstützen. An der Grenze des Libanon gibt es seit Jahren eine internationale Truppe. Die schreibt Berichte und hat nie irgendetwas verhindert. Dabei war das Material, das jetzt von libanesischem Territorium auf israelisches geschossen wird, vermutlich schon eine Weile im Libanon.

Dieser Krieg wird die libanesische Regierung noch schwächer machen.

Es kann nicht Sache Israels sein, die libanesische Regierung zu organisieren. Scharon hat mal eine Operation versucht, die auf die Machtergreifung durch die Christen im Libanon gestützt war. Die Syrer haben das scheitern lassen. Das hat zum Libanonkrieg 1982 geführt. Es war absurd. Aber was heute geschieht, ist etwas ganz anderes.

Was schlagen Sie vor, um diesen Krieg zu beenden?

Ich wünsche, dass der Libanon wirklich von Libanesen regiert wird. Und dass es nicht parallel zum offiziellen Libanon die Hisbollah gibt, die tut, was sie will, und andere Regierungen konsultiert.

In Frankreich haben sich Jugendliche mit der zweiten Intifada identifiziert. Wird das jetzt wieder passieren?

Ich glaube nicht. Da herrscht ein großes Schweigen der arabischen Länder. Selbst Saudi-Arabien spricht nicht gerade zugunsten der Hisbollah. Und auch Ägypten macht sich keine besonderen Sorgen um den Libanon.

INTERVIEW: DOROTHEA HAHN