Rechte rüsten weiter auf

Trotz harter Auflagen der Behörden herrscht nach wie vor reges Treiben von Neonazis auf dem Heisenhof in Dörverden. Das ehemalige Bundeswehrgelände fungiert weiterhin als nationale Aufmarschstation für die NPD

von ANDREA RÖPKE
und ANDREAS SPEIT

Die Neonazis haben sich eingerichtet auf dem „Heisenhof“. Bei schönem Wetter sitzen die vermeintlichen Gäste des ehemaligen Bundeswehrgeländes bei Dörverden gern draußen. Eigentlich ist ihnen der Aufenthalt untersagt. Dennoch gelingt es den Rechten, sich auf dem Gelände einzunisten. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei und Behörden. Weiterhin fungiert der Hof als nationale Aufmarschstation für die rechte Szene: Am Samstag richteten „Heisenhofler“ den NPD-Wahlauftakt zur Kommunalwahl 2006 ganz in der Nähe in Verden mit aus. Hofbewohner und NPD-Gemeinderatskandidat Daniel Fürstenberg eröffnete die Kundgebung in der Fußgängerzone, Mit-Heisenhofler Matthias Schultz beobachtete am Innenstadtrand Gegendemonstranten. Beide wollen am 10. September in den Rat von Dörverden ziehen.

Seit Ende 2004 ist das Bewohnen des Heisenhof in der niedersächsischen Gemeinde eigentlich untersagt. Im Juli 2004 hatte der Neonazianwalt Jürgen Rieger für die „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ das 23.000 Quadratmeter große Anwesen erworben. Zuvor hatte er bereits im thüringischen Pößneck für die Stiftung mit Briefkastenadresse in London ein ehemaliges Hotel mitten in der Stadt gekauft. Der ländlich gelegene Heisenhof schien Rieger geeigneter für die „Forschungszwecke“ der Stiftung. Will er doch auf dem parkähnlichen Anwesen neben einer Tagungs- und Wohnstätte auch ein „Zentrum für Fruchtbarkeitsforschung“ eröffnen – „um blauäugige Frauen“, wie Rieger betont, mit dem „Samen eines ebenfalls blauäugigen Mannes“ zu befruchten.

Seitdem der Käufer des Anwesens mit vier Gebäudekomplexen, Bunker und Schießstand bekannt ist, bemüht sich der Landkreis, Riegers Pläne zu vereiteln. „Alle Bauanträge haben wir bisher abgelehnt“, sagt Roland Butz, Erster Kreisrat in Verden. Zudem ordnete das Bauamt den Abriss des Offiziersheims an, da es marode ist. Diese Anordnung scheint die Rechten jedoch ebenso wenig zu stören wie das eingeschränkte Nutzungsrecht. „Auf dem Hof darf niemand wohnen“, betont Butz. Gemeldet sind die Heisenhofler meist unter anderen Anschriften. Bei Rigolf Hennig etwa, dem NPD-Stadtratskandidaten in Verden, heißt es aus Behördenkreisen.

„Die sind doch ständig auf dem Hof“, berichten Dörverdener. „Immer sieht man mehrere Männer da rumlaufen“, erzählt ein Mann, eine Frau sagt: „Kinder sind auch manchmal auf dem Gelände.“ Nicht die Einzigen aus dem 800-Einwohner-Ort, denen das rege Treiben auffällt. Oft kämen auch andere Rechte vorbei, weiß eine andere Frau. Nachts brenne immer Licht. „Dass sich Menschen auf dem Heisenhof bewegen, ist uns bekannt“, sagt Butz. Allerdings sei „ein dauerhaftes Wohnen untersagt“, betont er. Die Nutzung könne allerdings nicht gänzlich untersagt werden. Gerüchten rund um das Hofleben „gehen wir immer nach“, betont Butz. „Wir kontrollieren den Hof regelmäßig.“

Trotz heftiger Proteste gegen das Neonazizentrum wächst in der Region die rechte Szene stetig an. Und nicht alle Anwohner stört das. Gerade ausländerfeindliche Parolen gefallen, weiß das „Aktionsbündnis für Toleranz und Demokratie“ in Dörverden. „Da kann man vorbeigehen. Die sind nett“, erzählt ein Jugendlicher. Glaubt man den Besuchern, hält sich auf dem Heisenhof auch Daniel Fürstenbergs jüngerer Bruder dauerhaft auf. Im Pumpenwärterhaus soll sich Fürstenberg selbst eingerichtet haben. Seine Freundin wohnt demnach mit ihm im Fachwerkhaus, wenn sie aus Bremen zu Besuch ist. Mathias Schultz hat wohl ein Zimmer in einem Haus mit Turm bezogen. Auch ein Büro für die politische Arbeit gibt es längst.

Ohne diese Infrastruktur dürfte Daniel Fürstenberg kaum seine Aufgaben als Verdener NPD-Geschäftsführer und Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ erledigen können. In den vergangenen Monaten gelang es den Neonazis, die sich zwischen NPD und Freien Kameradschaften bewegen, ihre Aktionen in der Region zu verstärken. Sie sollen viele neue Mitglieder gewonnen haben. „Die Gruppe um den Heisenhof ist sehr aktiv“, betont Detlef Rakebrand vom „Verdener Bündnis gegen Rechtsextremismus“. Auf dem Hof soll der 25-jährige gelernte Rechtsanwaltsgehilfe Fürstenberg das Sagen haben – mit Riegers Einverständnis, der ab und zu vorbeischaut. Ein friedliches Landleben führt die Gruppe aber keineswegs. In der rechten Szene wird darüber getratscht, dass sich die Heisenhofler gern prügeln. Zur Kommunalwahl stellt sich Fürstenberg gern als „Familienvater“ mit zwei Töchtern vor. Bei Streits mit seiner Freundin indes wird er auch gern mal handgreiflich, berichten Insider. In Dörverden sucht derweil die Mutter der Fürstenbergs, selbst überzeugte NPD-Freundin, ein Haus.

Beim soeben eröffneten Kommunalwahlkampf dürfte der Hof wieder zur Schaltstelle werden. Bereits bei der Bundestagwahl 2005 diente der Hof der NPD als Wahlkampfzentrale. In den Mannschaftsräumen könnten wieder Wahlhelfer untergebracht werden, in den Mannschaftsräumen sind bereits Betten aufgestellt. „Wenn das passiert“, verspricht Butz, „dann schreiten wir ein“.