Auto- und Fahrradfahrer zu blau zum Pusten

Die Brandenburger Polizei schnappt immer mehr betrunkene Fahrer. Hauptursache ist die Selbstüberschätzung

Eine volltrunkene Radlerin, die vor einen Streifenwagen fällt, ein fast besinnungsloser Autofahrer, der am Alkoholmessgerät saugt, statt hineinzupusten – die Brandenburger Polizei muss immer öfter völlig betrunkene Auto- und Fahrradfahrer aus dem Verkehr ziehen. Allein in den ersten fünf Monaten stellten die Beamten nach Angaben des Potsdamer Innenministeriums 3.751 Alkoholfahrten ohne Unfälle fest, fast 11 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch zwischen 2004 und 2005 war in diesem Bereich ein Plus von 10,5 Prozent zu verzeichnen. Promillewerte von über 2,5 oder sogar 3 sind keine Seltenheit – ob am Steuer oder am Lenker.

„Trunkenheit im Verkehr ist kein Kavaliersdelikt, diese Menschen gefährden sich und andere“, betont Ingo Barnickel vom ADAC Berlin-Brandenburg. „Deshalb müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um durch konsequente Ahndung abzuschrecken.“ Nach Ministeriumsangaben erhielten von Januar bis Mai rund 1.400 Autofahrer nach Trunkenheitsfahrten ein Fahrverbot. Ab einem Alkoholwert von 1,6 Promille – wenn kein Unfall passiert ist – ist ein „Idiotentest“ fällig, eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). „Dies gilt auch für betrunkene Fahrradfahrer“, erklärt Barnickel. Auch bei zweimaligem Verstoßen gegen die 0,5-Promille-Grenze werden Verkehrsteilnehmer zur MPU zitiert. Nach Angaben des Verkehrspsychologen Gerd Reimann fallen in Brandenburg im Schnitt rund 70 Prozent der „Kandidaten“ bei dem Test durch – bundesweit seien es 50 bis 60 Prozent.

Hauptursache dafür, dass sich Menschen trotz Alkoholgenusses ans Steuer setzen, ist laut Reimann maßlose Selbstüberschätzung. „Viele glauben, dass sie noch voll fahrtüchtig sind und nicht gestoppt werden.“ Da schrecke offenbar auch nicht der aus seiner Sicht ausreichende Strafrahmen ab. Auch Frust etwa über hohe Arbeitslosigkeit könne eine Rolle spielen. „Deshalb sind Aufklärungsaktionen etwa in Diskotheken wichtig. Vor allem muss jeder Einzelne Zivilcourage zeigen.“

Dass die so genannten Alkoholunfälle in den ersten fünf Monaten dieses Jahres trotzdem um fast 20 Prozent zurückgegangen sind, begründet das Innenministerium mit gezielten Kontrollen und Aufklärungsarbeit. Mit 6 Todesopfern (2005: 13) und 305 Verletzten (2005: 426) kamen auch deutlich weniger Menschen bei derartigen Unfällen zu Schaden. „Es darf uns aber nicht beruhigen, dass Brandenburg sich beim Thema Alkoholunfälle im Mittelfeld der Bundesländer bewegt“, sagt Minister Jörg Schönbohm (CDU). „Alkohol am Steuer ist weiterhin eine der Hauptunfallursachen.“ DPA