„Uns fehlen die Feuchtgebiete“

An der Vertrocknung der Brandenburger Gewässer ist nicht nur der Klimawandel schuld, sagt der Potsdamer Klimafolgenforscher Manfred Stock. Geklärtes Abwasser sollte wieder zurück in die Landschaft fließen

taz: Herr Stock, erlebt Berlin und Brandenburg nach 2003 schon wieder einen Extremsommer?

Manfred Stock: Noch ist zwar nicht klar, wie sich der Sommer weiterentwickeln wird. Aber wir sind auf dem besten Weg dahin.

Bereits 2003 sprach Ihr Institut von einer drohenden Versteppung dieser Region. Werden solche heißen und trockenen Sommer nun zur Regel?

Wir haben vor einigen Jahren eine Studie angefertigt, in der wir ein vorsichtiges Klima-Szenario bis 2055 wagten. Der Sommer 2003 bestätigte dies weitgehend – allerdings mit der Einschränkung, dass wir eher in der zweiten Jahrhunderthälfte mit so heißen Temperaturen bei so wenig Niederschlag gerechnet haben. Das Wort Versteppung stammt allerdings nicht von uns, sondern ist ein plakativer Begriff der Medien. Wir hatten festgestellt, dass der Niederschlag im Sommer zurückgeht und die Verdunstung kräftig zunimmt.

Die kühlen und regenreichen Winter können die Trockenheit im Sommer auch nicht ausgleichen?

In Brandenburg haben wir vor allem Kiefernwälder. Kiefern verbrauchen auch im Winter kräftiger Wasser als Laubbäume. Was unsere Landschaft von früher unterscheidet: Uns fehlen die Feuchtgebiete, die das Wasser vom Winter halten. Im Frühjahr möchten die Bauern rasch auf ihre Felder, und in feuchten Gebieten wird das Wasser abgepumpt. Ein paar Wochen später wundert man sich dann, dass kein Wasser mehr da ist. Man sollte sich lieber darüber Gedanken machen, wie das Wasser, das im Winter zum Glück noch fällt, in die nächste Vegetationsperiode hinübergerettet werden kann.

Für die Trockenheit im Sommer sehen Sie also konkrete menschliche Ursachen.

Aber ja. Und damit gebe ich nicht nur dem Klimawandel die Schuld. Aus der Eiszeit haben wir in der Region ein reiches Erbe an Wasservorräten geschenkt bekommen. Was aber haben wir damit gemacht? Wir haben Moore und andere Feuchtgebiete trocken gelegt, die Landschaft kanalisiert, Wasser abgeführt. Zum Teil ist diese Tradition auch heute noch ungebrochen. Wir produzieren Abwasser und pumpen es in die Kläranlage. Von dort aus fließt es über Kanäle und die Elbe in die Nordsee. Wir müssten eigentlich stattdessen mehr dafür sorgen, dass wir das Wasser zurück in die Landschaft leiten.

Wie viel Zeit geben Sie den Brandenburger Seen noch?

So genau lässt sich das nicht voraussagen. Fest steht: Wenn der Wasserpegel sinkt und es weniger Zuflüsse gibt, verschlechtert sich die Wasserqualität. Es kommt dann häufiger und stärker zu Algenbildung, wir kriegen eine höhere Konzentration an Schadstoffen und Ähnliches. Irgendwann wird es vor allem kleinere Seen nicht mehr geben.

Umweltverbände fordern die Bürger auf, verstärkt Laubbäume zu pflanzen. Bringen solche Aktionen was?

Nur bedingt. Unter ungünstigen Umständen können solche Aktionen nämlich auch zu einer verstärkten Verdunstung beitragen, wenn zum Beispiel brach liegende Landwirtschaftsflächen mit Laubbäumen bepflanzt werden. Natürlich verfügt ein intakter Laubwald über eine gewisse Wasserspeicherfunktion. Aber das hängt von seinem Standort ab.

Kommen die Maßnahmen nicht zu spät? Der Klimawandel ist doch bereits voll im Gange.

Das ist doch ein dynamischer Prozess. Wenn ich mit dem Auto auf eine Wand zurase, sage ich auch nicht, dass es zu spät ist zu bremsen. Ich kann doch wenigstens dafür sorgen, dass der Aufprall weniger stark ausfällt.

INTERVIEW: FELIX LEE