Weiterhin zwei Präsidenten für Mexiko

Einen Monat nach den Wahlen wollen die AnhängerInnen des offiziell unterlegenen linken Kandidaten am Wochenende erneut gegen Wahlfälschungen demonstrieren. Sie misstrauen der Wahlbehörde. Und verlangen die Neuauszählung aller Stimmen

López Obrador: „Nach dem Mehrheitswillen bin ich der Präsident von Mexiko“

AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL

Sie belagern das Wahlgericht, besetzen Fernsehstationen und campieren auf öffentlichen Plätzen. Einen Monat nach der mexikanischen Präsidentschaftswahl vom 2. Juli sind Menschen im ganzen Land aktiv, um gegen einen von ihnen vermuteten Wahlbetrug zu protestieren. Zu den Aktionen hat der offiziell unterlegene Kandidat Andrés Manuel López Obrador aufgerufen, um eine Neuauszählung der Stimmen durchzusetzen. Für Sonntag mobilisiert der gemäßigte Linke zu einer weiteren Versammlung im Zentrum von Mexiko-Stadt. Wie vor zwei Wochen werden mindestens eine Million TeilnehmerInnen erwartet.

„Nach dem Willen der Mehrheit bin ich Präsident von Mexiko“, erklärte der Politiker der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) vor der Presse. Die offizielle Auszählung hatte ein anderes Resultat ergeben. Demnach gewann der rechte Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) mit einem Vorsprung von 0,58 Prozent gegen López Obrador. Doch der PRD-Politiker geht davon aus, dass er von dem konservativen Präsidenten Vicente Fox (PAN) und der Wahlbehörde (IFE) durch Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht wurde. Computer seien manipuliert und Stimmen falsch ausgezählt worden.

Mitte der Woche hat López Obrador Strafanzeige gegen die IFE-Direktion gestellt. Vor dem Bundeswahlgericht klagt er auf eine Neuauszählung, und zwar „Stimme für Stimme, Wahllokal für Wahllokal“. Seine Anhänger hat der Politiker dazu aufgerufen, Aktionen des „friedlichen zivilen Widerstands“ durchzuführen. Im ganzen Land belagern seither PRD-Aktivisten die Gebäude der IFE oder führen Protestcamps in Innenstädten durch. Die meisten Initiativen werden in der Hauptstadt organisiert. Dort demonstrierte eine Gruppe namens „Die Frauen von Andrés“ vor dem PAN-freundlichen Medienkonzern Televisa. Und zogen 200 Mitglieder der „Bewegung Kreativer Widerstand“ lautstark durch ein Einkaufszentrum im Nobelviertel Santa Fe.

Zunehmend verlangen auch Gewerkschafter nach Straßen- und Flughafenblockaden. Der zunächst zurückhaltende López Obrador steht dieser Forderung inzwischen offener gegenüber. Die Bewegung sei gewaltfrei, erklärt er, doch darüber hinaus sei alles möglich, um „die Demokratie zu verteidigen“. Trotz des Drucks lehnt es Calderón ab, mit López Obrador über eine Nachzählung zu verhandeln. Er bereitet die Regierungsübernahme vor. Auch die Wahlbehörde IFE erklärte, der PAN-Kandidat habe die Stimmenmehrheit bekommen und das müsse respektiert werden. Politiker bis hin zu dem scheidenden Präsidenten Fox verweisen auf die Entscheidungsgewalt des Bundeswahlgerichts. Wenn das Gremium die harte Haltung der PAN bestätigt, könnte dies eine Zuspitzung bis hin zur Unregierbarkeit des Landes zur Folge haben. Schon deshalb, so meint der Soziologieprofessor Sergio Zermeño, werde das Gericht zumindest einen Teil der Urnen nachprüfen lassen. „Wenn sich dann herausstellt, dass keiner der beiden Kandidaten eine eindeutige Mehrheit hat, muss ein Interimspräsident das Amt übernehmen“, erklärt er. Annullierung und Neuwahlen – dieses Thema geistert derzeit durch die Öffentlichkeit. Für Regierungssprecher Rubén Aguilar ist das: „absolut absurd“.

Bis zum 6. September muss das Wahlgericht einen neuen Präsidenten nennen. „Sollten die Richter bis dahin keine Lösung finden“, kontert Zermeño, „wird gar nichts anderes übrig bleiben.“