Sozialarbeit statt Handschellen

Nachdem ein 16-Jähriger im Polizeigewahrsam an eine Heizung gefesselt wurde, fordern Experten Jugendnotdienst

Ein Jugendnotdienst hätte möglicherweise den 16-jährigen Simon L. davor bewahrt, mehrere Stunden an eine Heizung gefesselt in Polizeigewahrsam zu verbringen (taz berichtete). In Berlin gibt es beispielsweise eine zentrale Telefonnummer, an die sich auch Polizisten wenden können, wenn sie sozialpädagogischen Beistand brauchen. MitarbeiterInnen des Krisendienstes können dann vor Ort intervenieren, um eine Eskalation zu vermeiden, zu der es offenbar in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gekommen war. Polizisten hatten den betrunken Rad fahrenden Schüler aufgegriffen und auf der Wache festgehalten, weil sie seinen fünf Minuten entfernt wohnenden Vater telefonisch nicht erreichen konnten. Weil Simon L. die Beamten beleidigte und gehen wollte, hatten sie ihm Handschellen angelegt, ein Beamter soll ihn misshandelt haben. Deshalb habe er sich auch nicht beruhigen können, sagt Simon L.: „Ich hatte Panik.“ In eine Zelle wurde er gegen seinen eigenen Wunsch nicht gebracht, weil es eine Dienstanweisung gibt, nach der Jugendliche nicht „wie Schwerverbrecher“ behandelt werden sollen.

„Das ist eigentlich positiv“, sagt Roland Klahr, pädagogischer Leiter beim Verein AfJ – Kinder und Jugendhilfe Bremen. „Eine Zelle ist ja auch stark mit Angst besetzt.“ Aus 25 Jahren Beruferfahrung wisse er auch, dass der Umgang mit Betrunkenen außerordentlich schwierig sei. Dennoch könnte ein Sozialarbeiter die bessere Alternative zu Handschellen sein. Solange es diese Möglichkeit in Bremen nicht gibt, helfe den Polizisten nur eins: „Fingerspitzengefühl“.

Genau das jedoch, sagt Heiner Schäfer vom Deutschen Jugendinstitut in München, könne bei Polizisten nicht vorausgesetzt werden. „Ihre Rolle ist eine ganz andere als die des Sozialarbeiters, sie sollen für Ordnung und Sicherheit sorgen“, sagt Schäfer, der zu Jugendkriminalität forscht. Deshalb sieht er auch die Notwendigkeit, dass Sozialarbeiter in derartige Fälle mit einbezogen werden. „Es könnte helfen, jemand da zu haben, der nicht das Gewaltmonopol hat und eher auf Seite des Jugendlichen steht.“ Allerdings, so Schäfer, gerieten nicht nur Polizisten in Überforderungssituationen, die in Gewalt gegen Schwächere münden. „Das passiert auch in der Jugendhilfe.“

In Bremen gibt es bisher nur die Möglichkeit, betrunkene Jugendliche, deren Eltern nicht erreicht werden können, ins Krankenhaus oder eine Notunterkunft zu bringen. Letztere können sie aber nicht festhalten. eib