Bulle wird Leithammel

Red Bull Salzburg ist nicht nur der Marketing-Gag eines Brauseherstellers, der Fußballklub hat auch Lothar Matthäus und Giovanni Trapattoni, kurz „Trapatthäus“, wieder ins Geschäft gebracht

AUS SALZBURG JOHANNES KOPP

Seit vergangenem Freitag träumt man in Salzburg von Valencia. Noch zwei Tage zuvor herrschte Untergangsstimmung, Red Bull Salzburg hatte sich in der Schweiz blamiert mit einer 1:2-Niederlage beim FC Zürich. Trainer Lothar Matthäus spekulierte gerade vor der Presse über die Chancen im Rückspiel am Mittwoch, als just in diesem Moment per Telefon das Ergebnis der dritten Champions-League-Qualifikationsrunde übermittelt wurde. Der nächste Gegner wäre der FC Valencia, wurde durchgegeben. Der Abgang von Lothar Matthäus nach Ende der Fragerunde war bereits von internationaler Güte. Eine Menschentraube folgte ihm. Bedienstete überreichten ihm wichtige Schriftstücke. Matthäus beantwortete alle Anfragen im Laufschritt.

Der Cheftrainer bei RB Salzburg heißt allerdings Giovanni Trapattoni. „Er fällt die letzten Entscheidungen“, sagt Matthäus. Der gebürtige Franke ist beim österreichischen Erstligisten ins zweite Glied gerückt. Aber warum? Matthäus sagt: „Ich habe vielleicht bislang den Fehler gemacht, Mannschaften zu übernehmen, mit denen man keine Titel holen konnte.“

In Salzburg dürfte er diese Chance haben. Der Klub ist in den Händen eines einheimischen Milliardärs. Dietrich Mateschitz, der den Energy-Drink „Red Bull“ auf dem Weltmarkt etablierte, kaufte vor gut einem Jahr die fast insolvente Austria auf. Er krempelte den Verein von Grund auf um. Als Marketingvehikel wurden dem Klub Name, Farben und Wappen des Energiegetränks geschenkt. Trotz anfänglicher Fanproteste ging die Werbestrategie bislang auf. In der Öffentlichkeit wird von Verein und Spielern fast nur noch im Zusammenhang mit dem Wappentier, dem Bullen, gesprochen. Es ist von „der Bullenherde“ im Allgemeinen sowie von „Alt- und Jungbullen“, „Offensiv- und Defensivbullen“ im Speziellen die Rede. Der Abwehrchef Thomas Linke wurde sogar von den Salzburger Nachrichten gegen jeglichen zoologischen Sachverstand zum „Bullen-Leithammel“ gemacht.

Wenn es nach Mateschitz geht, soll bald europaweit über die Bullen gesprochen werden. Dafür hat er mit Hilfe seines Freundes und Beraters Franz Beckenbauer Trapattoni und Matthäus nach Salzburg geholt. Er stattete sie mit einem großzügigen Budget von geschätzten 30 Millionen Euro aus. Diese Summe sprengt bei weitem den in der österreichischen Liga üblichen Rahmen. Meister und Titelverteidiger Austria Wien verfügt mit dem zweithöchsten Etat nur über halb so viel Geld. Mit elf neuen Spielern engagierte „Trapatthäus“, wie das Trainergespann in Salzburg genannt wird, eine komplette Mannschaft, darunter namhafte Spieler wie Nico Kovac von Hertha BSC Berlin, Christian Tiffert vom VfB Stuttgart und den Schweizer Jungnationalspieler Johan Vonlanthen vom PSV Eindhoven. Der Meistertitel dürfte Red Bull Salzburg nach Ansicht der Experten kaum zu nehmen sein. Mit zwei Siegen und einem 1:1 beim Titelverteidiger Austria Wien am Samstagabend startete das Team gut in die Saison. Die noch karge Erfolgsbilanz von Matthäus wird also voraussichtlich aufgebessert werden.

Welche Rolle genau Matthäus bei RB Salzburg spielt, ist noch nicht ganz klar. Auch der Stürmer Alexander Zickler kann darüber keine befriedigende Auskunft geben: „Ich weiß nicht, wie die Aufgabenfelder abgesteckt sind“, sagt er. Bislang hätte Matthäus beim Training den ausführenden Part übernommen. Trapattoni hingegen wache „über alles“. Auch Matthäus scheint noch nach seiner Bestimmung zu suchen. Er will ein guter Assistent sein, sagt er brav. Beim erfolgreichsten Vereinstrainer Europas könne er sich gut weiterentwickeln. So nimmt er sich an der Seitenlinie auch meist zurück. „Wenn Trapattoni dort nicht ständig stehen würde, könnte ich den Spielern auch mal das ein oder andere sagen“, erläutert er lächelnd. Aber es könne eben nur einer Anweisungen geben.

Freilich juckt es Matthäus hin und wieder, sich und seine Leistungen in den Vordergrund zu stellen. Etwas ungelenk stellt er zuweilen eigene Erfolge heraus: „Ich kann aus der Erfahrung eines Trainers sprechen, der in der Champions League einmal mit seinem Team einem Großen das Bein gestellt hat“, sagte er beispielsweise auf der Pressekonferenz zum Thema Valencia; als Trainer von Partizan Belgrad hat er den hohen Favoriten Newcastle United geschlagen. Auch am aktuellen Erfolg von RB Salzburg macht Matthäus schon seine Verdienste geltend. Zickler, erinnert er sich, habe er vor der Saison zum Gespräch gebeten, weil dieser in der vergangenen Spielzeit auswärts kein einziges Tor erzielt hatte. Das könne doch wohl nicht wahr sein, habe er ihm gesagt, die Tore seien doch überall gleich groß. Siehe da, nach drei Spieltagen führt Zickler die Torschützenliste der österreichischen Liga mit fünf auswärts geschossenen Toren an. Matthäus glaubt an seine Wortgewalt: „Es mag sein, dass dieses Gespräch seinen Teil dazu beigetragen hat, dass Zickler nun auswärts wieder erfolgreich ist.“

Man darf gespannt sein, wie Lothar Matthäus seine Rolle bei RB Salzburg in Zukunft interpretieren wird. Fakt ist: Im Erfolgsfalle wird er Teilhaber am Ruhm sein. Und bei Misserfolg kann er Trapattoni brutusartig in den Rücken fallen und sagen, dieser hätte die falschen Entscheidungen gefällt.