Bienenfleißige Suche nach Tiefsinn

Christian Frei forscht in dem Film „The Giant Buddhas“ den Riesenstatuen nach, die von den Taliban gesprengt wurden

Etwa 1.500 Jahre alt sind sie geworden, die riesigen Buddhastatuen im afghanischen Bamiyantal. Die 53 und 36 Meter hohen Kolosse haben Dschingis Khan und die Sowjetarmee überstanden. Im März 2001, als das Verdikt der Talibanregierung erlassen wurde, alle nichtislamischen Statuen zu vernichten, trotzten sie den Panzern. Erst als die Gotteskrieger ihnen mit Granaten und Dynamit zu Leibe rückten, gerieten sie ins Wanken. Zwei Wochen dauerten die Sprengungen. Und die westliche Welt, die bislang kaum Interesse an der buddhistischen Pilgerstätte hatte, reagierte empört.

Lord Byron hätte vermutlich nichts gegen die Zerstörung des Weltkulturerbes einzuwenden gehabt: „Keine der Monumentalfiguren ist ästhetisch wertvoll. Aber das könnte man noch ertragen. Abstoßend ist ihre Leere, ihre stumme Kraftlosigkeit.“ Auch Goethe posaunte unzweideutig: „Vernichten!“ Der Dokumentarfilmer Christian Frei, dessen Porträt des Kriegsfotografen James Nachtwey, „War Photographer“, 2002 für den Oscar nominiert wurde, hat ihre Stimmen als Vorboten westlicher Ignoranz seinem neuen Film „The Giant Buddhas“ vorangestellt. Es ist trotz aller poetischer und essayistischer Anflüge vor allem eine journalistische Dokumentation geworden. Bienenfleißig recherchiert, sorgfältig ausgewählt und mit elegant kombinierten Blickwinkeln aus unterschiedlichen Zeiten und Epochen.

Frei besucht übrig gebliebene Hazaras, die seit Generationen in Höhlen rund um die Statuen leben. Er trifft Taysir Alony, den einstigen Starreporter von al-Dschasira, der sich als Taliban verkleidet mit einer Kamera ins abgeriegelte Bamiyantal schmuggeln konnte und seine Bilder von der Sprengung der Giganten weltweit verkaufte: „Ich war glücklich über diesen Knüller.“ Nach den Dreharbeiten wurde Alony in Spanien festgenommen, weil er islamistische Terroristen unterstützt haben soll.

Zu den eingesprochenen Tagebuchaufzeichnungen des Wandermönchs Xuanzang, der im 7. Jahrhundert die Seidenstraße ablief und bei den Bamiyanbuddhas pausierte, durchforstet Frei die Landschaft, als gelte es, die Reste einer vergessenen Spiritualität sicherzustellen. Er besucht die Ausgrabungsstätten des französischen Archäologen Zémaryalai Tarzi, der davon träumt, eine dritte Buddhastatue zu finden. Und er grübelt im E-Mail-Dialog mit der in Kanada lebenden, afghanischen Schriftstellerin Nelofer Pazira über die Rekonstruktion und Wahrhaftigkeit überlieferter Familienerinnerungen.

Doch so spannend einzelne Fährten sind, die Frei rund um die Skulpturen und ihren Mythos verfolgt, so zenartig seine Bilder die Landschaften einfangen, so brav bleibt das Ganze auch. Bis auf die Panoramen wirkt alles fernsehkompatibel. Da wird eine Erinnerung, ein Foto gefunden, dann kommentiert und eingeordnet. Da werden schlichte Fragen wie „Ist der Bilderstürmer grundsätzlich gegen die Bilder oder nur gegen die Bilder der anderen?“ als weltumspannender Tiefsinn formuliert. Ohnehin hat es Frei eher mit den Schriftstellern und Mönchen: Er will in aller philosophischen Eitelkeit ein Suchender bleiben.

BIRGIT GLOMBITZA

„The Giant Buddhas“. Regie: Christian Frei. D 2005, 95 Min.