nachruf auf henry mathews
: Unerschütterlich kapitalismuskritisch

Deutschland im Aktienfieber, die Börse boomt – und was machen die Linken? Das fragte sich die taz vor sechs Jahren und fand die Antwort in einem ganzseitigen Porträt des „letzten Aktienfeindes“: Henry Mathews mache, was er schon immer gemacht habe: „protestieren und kritisieren“.

So ist es geblieben. Bis heute blieb der Geschäftsführer des kleinen Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ein Stachel im Fleisch der großen Konzerne.

Der Kölner war das auf den Hauptversammlungen der Republik nicht zum Schweigen zu bringende nervige Gewissen der Vorstände. Ob fehlende Umwelt- und Sozialstandards, ausbleibende Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter oder Rüstungsgeschäfte – Mathews las ihnen die Leviten. Er attackierte die Lufthansa wegen ihrer Beteiligung an der Abschiebung von Flüchtlingen. Dem Adidas-Konzern attestierte er, dessen drei Streifen stünden „für Ausbeutung, für das Ausnutzen von Armut, Arbeitslosigkeit und undemokratischer Verhältnisse“. Und der Deutschen Bank bescheinigte er noch im Frühjahr dieses Jahres: „Das Unternehmen hat kein soziales Gewissen.“ Ein regelrechter Plagegeist wider die kapitalistische Profitlogik.

Dabei hatte alles mit einem Zufall begonnen. Mitte der Achtzigerjahre entdeckte der junge Mathews in einem Dritte-Welt-Laden in Westberlin ein Flugblatt der Buko-Pharmakampagne. Der aufmüpfige Abiturient hatte ein Ventil gesucht für seine Systemkritik, und nun fand er es beim Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen. Mathews engagierte sich in der Berliner Ortsgruppe. Auch im „Schering-Aktionsnetzwerk“ wurde er aktiv. Sein dabei entstandenes Buch „Schering – die Pille macht Macht“ landete vor Gericht.

Nach einer Gärtnerlehre verließ Mathews kurz vor dem Mauerfall Berlin. Ein Semester studierte er Landschaftsbau in Gießen, danach pendelte er zunächst von Job zu Job. Unter anderem betätigte er sich als Redakteur bei der Aachener Stadtzeitung Klenkes. Als freier Journalist schrieb er auch für die taz, beispielsweise über dioxinverseuchte Sportplätze in Solingen.

Als der Dachverband der Kritischen Aktionäre 1991 eine hauptamtliche Geschäftsführerstelle einrichtete, erschien Mathews als genau der richtige Mann. Die Tätigkeit wurde für ihn zur Lebensaufgabe. Anfangs hätten „die Vorstände noch versucht, unsere Themen ganz abzubügeln. Inzwischen müssen sie antworten, weil das öffentliche Interesse zu groß ist“, zog der Konzernkritiker, der auch im persönlichen Umgang nicht gerade pflegeleicht war, in seinem letzten taz-Interview im März Bilanz.

Am 30. Juli starb Henry Mathews in seinem Sommerurlaub in Schweden an einem Herzinfarkt. Er wurde nur 40 Jahre alt. Seine Stimme wird fehlen.

Pascal Beucker