portrait
: His Excellency, Mister Veto

Der Mann steht für Kontinuität: 40-mal seit Gründung der UNO haben die USA als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats ihr Veto eingelegt, um eine Verurteilung Israels wegen der Verletzung internationaler Normen oder der Nichterfüllung völkerrechtlich verbindlicher UN-Resolutionen zu verhindern. Das letzte Veto brachte US-Botschafter John Bolton am 13. Juli ein, um eine – von allen anderen 14 Ratsmitgliedern unterstützte – Resolution zu blockieren, die den israelischen Streitkräften weitere Übergriffe im Gaza-Streifen verboten hätte. Auch während des inzwischen seit drei Wochen währenden Krieges zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Libanon trat Bolton in der New Yorker UNO-Zentrale immer wieder „als zweiter Botschafter Israels“ auf, wie Diplomaten nicht nur arabischer Staaten kritisch anmerken.

Zunächst sorgte er mit der Androhung eines Vetos nicht nur dafür, dass der Rat auf Kritik an Israel verzichtete, nachdem die israelische Luftwaffe bei einem „offensichtlich vorsätzlichen Angriff“ (UNO-Generalsekretär Kofi Annan) auf einen UNO-Posten im Südlibanon vier unbewaffnete Blauhelmsoldaten getötet hatte. Bolton stellte auch sicher, dass die UNO keine eigene, unabhängige Untersuchung des Vorfalls durchführt.

Ebenfalls durch Vetoandrohung verhinderte Bolton am letzten Sonntag, nachdem die israelische Luftwaffe über 60 libanesische Zivilisten in Kana getötet hatte, eine Verurteilung Israels durch den Rat. Weil Boltons Chefin, Außenministerin Condoleezza Rice, zur selben Stunde in Tel Aviv erstmals von der Möglichkeit auf einen „baldigen Waffenstillstand“ sprach, entstand bei manchen der Eindruck mangelnder Abstimmung zwischen Bolton und Rice oder gar von unterschiedlicher Politik.

Der Eindruck, Bolton mache seine eigene Politik, war auch früher schon aufgekommen: als er noch als Unterstaatssekretär für internationale Organisationen und für Abrüstung öffentlich heftig gegen die UNO und gegen multilaterale Rüstungskontrollabkommen vom Leder zog, sowie – seit seiner Ernennung zum UN-Botschafter im Jahre 2005 – bei den Debatten über die UNO-Reform oder den Internationalen Strafgerichtshof. Mehrfach beruhigte Rice durch Boltons Auftreten irritierte Regierungen, sie werde ihren Botschafter zügeln. Das wurde zeitweise sogar für bare Münze genommen. Doch nichts dergleichen geschah.

Bolton und Rice spielen in der Öffentlichkeit ein geschicktes Spiel mit verteilten Rollen. Ihre Differenz beschränkt sich auf Stilfragen. In der Substanz der Politik tut auch die Außenministerin exakt das, was der Botschafter öffentlich vertritt.

ANDREAS ZUMACH