Mecklenburg fürchtet müde Wähler

Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Monat droht die Wahlbeteiligung einzubrechen. Ein Grund: Anders als früher wird der Landtag nicht zeitgleich mit dem Bundestag gewählt. Profitieren könnte davon die rechtsextreme NPD

VON GEORG LÖWISCH

Scharping gegen Kohl, Kohl gegen Schröder, Schröder gegen Stoiber. Eigentlich hätte es immer so weitergehen können: Die Kanzlerduelle locken die Leute an, und weil sie schon mal im Wahllokal sind, können sie auch den Zettel für den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ausfüllen. 1994, 1998 und 2002 – stets hatten die Nordost-Politiker ihre Wahl an die Bundestagswahl gehängt. Heraus kam zuverlässig eine Wahlbeteiligung von über 70 Prozent. Davon können andere Bundesländer bei Landtagswahlen nur träumen.

Seit Schröders Neuwahloperation im vergangenen Jahr ist der Trick futsch. Die Landtagswahl am 17. September wird allein stattfinden, und diesmal droht ein Einbruch der Wahlbeteiligung – zum Vorteil der NPD.

Wahlforscher nennen den Trick den „Mitzieh-Effekt“, weil die spannendere Wahl die langweiligere mitzieht. In Nordrhein-Westfalen etwa ergab die Koppelung von Kommunal- und Bundestagswahl 1994 die schöne Wahlbeteiligung von 81,7 Prozent. Fünf Jahre später mussten sich die Kommunalpolitiker allein stellen – und lockten nur noch 55 Prozent der Wähler an.

In Mecklenburg-Vorpommern könnte das Fehlen des Mitzieh-Effektes besonders ins Gewicht fallen. Die Parteien verfügen kaum über treue Anhänger, die ins Wahllokal traben, egal wer oder was zur Abstimmung steht. Am stärksten verwurzelt ist immer noch die PDS. Sie könnte von einer geringen Wahlbeteiligung profitieren. „Wir gehen von einem großen Stammwählerpotenzial aus“, sagt PDS-Wahlkampfchef Friedemann Reinhold. „Aber von selbst kommt natürlich nichts.“

Profitieren könnten auch andere: die NPD. Sie ist in Kreisen wie Uecker-Randow und Ostvorpommern vielerorts aktiver als die großen Parteien. Die Neonazis sind dort keine Außenseiter und haben in den letzten Jahren junge Anhänger gewonnen. „Eine niedrige Wahlbeteiligung würde ihre Chancen vergrößern, in den Landtag einzuziehen“, fürchtet PDS-Mann Reinhold.

Bei der Landtagswahl 2002 war die NPD noch chancenlos. Doch 2005 bei der Bundestagswahl kam sie im Land auf über 3 Prozent. Damals lag die Wahlbeteiligung bei 70,6 Prozent. Wenn diesmal mehr Wähler zu Hause bleiben, die NPD aber ihre Anhänger von 2005 mobilisieren kann, wäre es passiert: Die Neonazis säßen nach Sachsen im zweiten Landesparlament.

Den drei großen Parteien dürfte die Mobilisierung schwerfallen. Seit 1998 regiert in Schwerin Harald Ringstorff mit SPD und PDS. Vor vier Jahren kam die SPD auf 40,6 Prozent, die PDS auf 16,4. Die CDU müsste einen Riesensprung machen und bräuchte die FDP, die bisher gar nicht im Landtag vertreten ist. Damit der CDU-Kandidat Jürgen Seidel Wechselstimmung erzeugen kann, muss er jedoch eine realistische Chance für sich darstellen können.

Diese Woche stellte die CDU ihre Wahlplakate vor: Großflächenplakatierung, sagt Generalsekretär Lorenz Caffier, soll absichern, dass die Bürger überhaupt von der Wahl wissen. „Die Visualisierung von Themen und Personen mittels Plakaten sorgt für eine Wahlkampfstimmung.“ Zündende CDU-Texte sollen die 1,4 Millionen Wahlberechtigten alarmieren: „Anpacken statt abwarten“, „So kann’s nicht weitergehen“, „Unser Land kann mehr“.

Ministerpräsident Ringstorff bemüht sich ebenfalls, die Wahl spannend zu machen: „Die SPD muss zulegen“, fordert er und beschwört ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“. Auch der Sozialdemokrat befürchtet eine geringe Wahlbeteiligung. Eine Stimmung gegen die große Koalition könne dafür sorgen, dass die Menschen der Wahl fernbleiben. „Wir werden deshalb aufrufen, zur Wahl zu gehen.“

Das tut auch die NPD. Wahlkampfchef ist Holger Apfel, der die Neonazis im sächsischen Landtag anführt. Im Internet wirbt er bundesweit um „großzügige Kampfspenden“ und träumt vom „politischen Erdbeben“ in Mecklenburg-Vorpommern.