Bauzaun verstellt Berliner Mauer

Am Checkpoint Charlie eröffnet Kultursenator Flierl heute eine Bauzaun-Galerie mit Motiven des legendären Grenzübergangs. Die Schau ist Teil des Mauergedenkkonzepts, aber gleichzeitig auch ein Provisorium – und manchmal ein sehr langweiliges

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Am Checkpoint Charlie wird ein weiteres Mal Kalter Krieg, Mauerbau und Mauergedenken gespielt. Diesmal bilden jedoch nicht die Sektorengrenze wie 1961 die Kulisse oder mehr als 1.000 Holzkreuze wie 2004/2005, sondern ein Freilichtmuseum. Stellwand ist ein über 300 Meter langer Bauzaun entlang der Friedrich-, Zimmer- und Schützenstraße, der die Brachflächen westlich und östlich des einstigen Checkpoints umfasst. 175 großformatige Abbildungen präsentiert die Bildergalerie; die Fotos beleuchten die Geschichte des Baus der Mauer und deren Fall. Texttafeln kommentieren die in vier Themenbereiche unterteilte Dokumentation.

Die Bauzaun-Ausstellung aus dem Hause der Kulturverwaltung, die heute von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) eröffnet wird, ist Teil des Senatskonzepts zum Gedenken an die Berliner Mauer, das an der Bernauer Straße, dem Brandenburger Tor, am Potsdamer Platz, am Checkpoint Charlie und auch entlang der Eastside-Gallery verwirklicht werden soll. Doch im Unterschied zu den genannten Schauplätzen, für deren Gestaltung es klare Vorstellungen gibt, bildet die jetzt erarbeitete Schau am Checkpoint Charlie ein Provisorium. Und Provisorien können bekanntlich dauern. Denn die Überlegungen der Kulturverwaltung für eine Ausstellungs-Dauerlösung und ein Konzept für den Mauergedenkort Checkpoint Charlie bleiben so lange Papier, bis Investoren für das Brachgelände gefunden sind. Und die sind noch nicht in Sicht.

Dennoch gibt die Schau einen Hinweis darauf, was dort einmal fest dokumentiert werden könnte. Zum einen zeigen die Bildtafeln natürlich den Mauerbau 1961, den Panzeraufmarsch der USA und der Sowjetunion dort im gleichen Jahr sowie die Veränderungen des alliierten Grenzübergangs bis zu seinem Ende 1989/1990.

Zum anderen jedoch werden der Checkpoint und seine Bedeutung eingebettet in die Geschichte anderer Grenzübergänge und Berliner Mauerabschnitte. Das Anliegen sei, so die Kulturverwaltung, verschiedene Perspektiven und Geschichten der Mauer sowie deren internationale Dimension zusammenzuführen. Schließlich ist die Bauzaun-Schau auch eine Reklametafel des Senatskonzepts: Sie bildet die anderen Gedenkorte in Berlin ab und geriert sich ein wenig zu offensichtlich als Stadtführer.

Sachlich bis spröde

Deutlich wird aber auch, dass Flierl mit den Bauzaun-Bildern das Gegenteil von dem verfolgt, was im benachbarten Mauermuseum ausgestellt wird. Statt spektakulären Fluchten, großen Gefühlen, dem Widerstand und dem menschlichen Leid an der Mauer – Perspektiven, die aus Sicht der Berliner CDU dem Gesamtkonzept fehlen – ist der Kontext der Fotos und Texte auf die Mauer insgesamt sachlich, manchmal sogar spröde.

Sicher, an Peter Fechter, der 1962 nahe dem Checkpoint an der Mauer verblutete, erinnert eine Bildtafel samt Text. Auch ein wenig CIA-Kitzel, Fluchtversuche und Grenzgeschichten sind dabei. Doch im Wesentlichen vermitteln die Fotos einen distanzierten Blick auf die Mauer, ihre Orte und Geschichten – bis zur Beliebigkeit: Ein mit Graffitis verzierter Grenzturm, ein Stück Freifläche, wo einst die Mauer stand – das sind Postkartenansichten. Da ist die Schau so eindimensional wie die Stücke aus der Asservatenkammer des DDR-Horrors in Alexandra Hildebrandts Mauermuseum gegenüber. Die 300 Meter Bauzaun werden dann doch zur Qual.