„Ein Akt offener Feindseligkeit“

Madonna steigt bei ihrer Tournee vom Kreuz, die Kirche hilft dabei – mit ihrem vorhersehbaren Protest

Seine Kernkompetenz in Sachen Public Relations hat der Vatikan zuletzt wieder bei der Wahl des Papstes vor zwei Jahren demonstriert. Ein Kinderspiel, denn als Expertin für öffentliche Kommunikation und frohe Botschaften ist die katholische Kirche seit 2.000 Jahren unangefochtene Marktführerin, in unserem Kulturkreis sogar schon fast Monopolistin.

Umso mehr verwundert, dass diese Agentur immer häufiger Fremdaufträge anzunehmen scheint; zuletzt adelte sie pünktlich zum Sendestart den unkomischen MTV-Dünnpfiff „Popetown“ mit gläubischer Gravität und würdevoller Besorgnis.

Am vergangenen Sonntag nun ist die Kirche, wieder einmal, der US-Unterhaltungskünstlerin Louise Ciccone (48) alias Madonna (!) auf den Leim gegangen, die vor 70.000 Zuschauern ein Konzert im Rom gegeben hat.

Bei ihrer aktuellen Welttournee nämlich macht sie sich einen Spaß daraus, mit einer Dornenkrone auf dem Kopf am Kreuz zu hängen und so weiter, wir kennen das alles. Kardinal Ersilio Tonini offenbar nicht: „Sich aus Spaß kreuzigen zu lassen, und das in der Stadt des Papstes, ist ein Akt offener Feindseligkeit“, ereiferte sich der Mann Gottes. Zwar mag Madonna, die sich zu Beginn ihrer Karriere als provokante Muttergottesschlampe positionierte und im Video zu „Like A Prayer“ schon 1989 zwischen allerlei Sakralbrimborium (Blut weinende Statuen, brennende Kreuze) einen schwarzen Jesus flachlegte, primär von marketingtechnischen Erwägungen zu ihrer Golgatha-Einlage bewegt worden sein. Im dem Moment aber, da der Kardinal ihre gezielte Provokation als „sinnlose Marketing-Operation“ geißelte, hatte sich die Marketing-Operation bereits als sinnvoll erwiesen.

Madonna allerdings operiert natürlich global, und das bedeutet: Wenn die Römisch-Katholischen mal nicht mitspielen, dann tun’s auch die Russisch-Orthodoxen (die wegen der Kreuzigungsszene schon brav zum Boykott von Madonnas Auftritt in Moskau aufgerufen haben), die Buddhisten oder Kabbalisten … nein, die Moslime nicht, die verstehen keinen Spaß.

Eine Provokation ist „eine Aufreizung zu unbedachten Handlungen“. Dass die stets variierte „Aufreizung“ seit jeher das eigentliche Metier von Madonna ist, wissen wir inzwischen. Dass sich ausgerechnet Kirchenvertreter davon immer wieder zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen, ist nicht neu. Aber immer wieder lehrreich. FRA