Darfurs Krieg erreicht neue Qualität

Während der einst wichtigste Rebellenführer der sudanesischen Kriegsregion Darfur mit Sudans Regierung Frieden schließt und einen Regierungsposten bekommt, verschärfen sich die Kämpfe vor Ort. Hilfswerke: Gewalt schlimmer als je zuvor

VON DOMINIC JOHNSON

Es sollte aussehen wie ein Durchbruch Richtung Frieden: Minni Minawi, wichtigster Rebellenführer in Sudans Kriegsregion Darfur, wurde am Montag in der Hauptstadt Khartum feierlich als Sonderberater des sudanesischen Präsidenten Omar el-Beshir eingeschworen – ein erster Schritt zur Umsetzung eines Friedensabkommens. „Wir haben eine starke Zukunft vor uns“, erklärte Minawi. Die Realität: Der Rebellenführer hat die eigenen Rebellen nicht mehr hinter sich. In Darfur tobt Krieg.

Am Montagabend meldeten Rebellen der „Nationalen Rettungsfront“ (NRF), in der sich Gegner des neuesten Friedensabkommens versammelt haben, aus dem Norden Darfurs den Abschuss einer Antonov-Transportmaschine der Regierungstruppen in 12.000 Meter Höhe – eine Premiere, die auf neue, moderne Bewaffnung der Rebellen hindeuten würde. Die Regierung bestritt das und sagte, das Flugzeug habe wegen „technischer Probleme“ umdrehen müssen.

Die NRF ist eine Koalition aller Rebellen Darfurs mit Ausnahme der von Minni Minawi geführten Fraktion, die jetzt in Sudans Regierung eingetreten ist. Minawi hatte am 5. Mai zum Abschluss von Friedensverhandlungen in Nigerias Hauptstadt Abuja als einziger Rebellenchef ein Abkommen mit der Regierung unterzeichnet, das die Entflechtung und Entwaffnung der Kriegsparteien vorsieht. Damals war er noch Führer der Mehrheitsfraktion von Darfurs größter Rebellenarmee SLA (Sudanesische Befreiungsarmee). Aber die meisten seiner Mitstreiter haben seitdem mit ihm gebrochen und sich mit der radikaleren JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) zu dem neuen Bündnis NRF zusammengeschlossen, das am 30. Juni formell in Eritrea gegründet wurde.

Auch in Darfurs Flüchtlingslagern kam es zu Demonstrationen gegen das Friedensabkommen. Denn es gibt darin keine festen Garantien, dass die für die meisten Kriegsverbrechen in Darfur verantwortlichen Janjaweed-Milizen, die mit Sudans Regierungstruppen zusammenarbeiten, tatsächlich entwaffnet und abgezogen werden. Die Regierung versprach lediglich, einen Plan vorzulegen.

Trotz dieser Mängel und der Radikalisierung von Rebellen und Kriegsflüchtlingen setzen die UNO und Afrikanische Union (AU) weiterhin auf das Abkommen von Abuja. UN-Generalsekretär Kofi Annan legte Ende Juli einen Plan zur Entsendung von 15.300 bis 17.300 UN-Blauhelmen vor, um „Anstrengungen zur Umsetzung des Darfur-Friedensvertrages zu fördern und zu unterstützen“. Die Rebellen sind aber dagegen, weil sie den Friedensvertrag ablehnen; Sudans Regierung ist auch dagegen, weil sie keine UN-Truppen in Darfur sehen möchte.

Stattdessen setzen Darfurs Kriegsparteien auf militärische Gewalt. In der Provinz Nord-Darfur toben seit einigen Wochen schwere Kämpfe. Den NRF-Rebellen geht es darum, bisher von Minawis SLA gehaltene Gebiete unter Kontrolle zu bringen.

Damit hat Darfurs Krieg, der 2003 begann, eine neue Intensität erreicht. In den letzten beiden Wochen wurden laut UNO mehr Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Darfur getötet als in den zwei Jahren davor. „Das Ausmaß der Gewalt ist beispiellos“, sagte am Wochenende Manuel da Silva, humanitärer UN-Koordinator für Sudan. Das UN-Logistikzentrum UNJLC spricht von einer „Gewaltwelle gegen Helfer durch Kriegsvertriebene“. Viele Hilfsbedürftige seien nur noch auf dem Luftweg erreichbar, was die Kosten humanitärer Hilfe vervielfache. In Darfur wurden seit Kriegsbeginn rund ein Drittel der sechs Millionen Einwohner vertrieben und vermutlich mehrere hunderttausend getötet.