neandertal, Gebete etc.
: Kann denn Liebe Sünde sein?

Der Neandertaler ist zwar kein direkter Vorfahre des Menschen, aber er ging mit Würde unter – fast aufrecht! Und das vor 42.000 Jahren – an der Düssel. Weswegen man ihn sogleich nach Joachim Neander benannte, einem Düsseldorfer Kirchenliedermacher aus dem 17. Jahrhundert, der zu Lebzeiten ebenfalls gerne dort spazieren ging, wo Steinbrucharbeiter 1856 die Knochenreste des Neandertalers fanden.

Heute steht da ein Neander-Museum im (malerischen) Tal, das am 16. September, wenn sich der Knochenfund zum 150. Mal jährt, das schwer angesagte Thema „Garten Eden oder Evolution“ in Form einer „Feier“ angeht. Dies teilte der Museumsdirektor G.C. Weniger gestern mit. Zu einer Meldung wäre dies aber wohl kaum geworden, wenn nicht gleichzeitig auch „die Katholiken und Protestanten“ erklärt hätten, dass sie ebenfalls dort an der Düssel aufkreuzen werden – zu einem Gottesdienst! Mit dieser konzertierten Aktion wollen die beiden christlichen Kirchen zum einen natürlich die Ausstrahlungskraft ihrer Gebete erhöhen und zum anderen Zeugnis darüber ablegen, dass die Geschichtswissenschaften und der Glaube – Evolution und Gott – in keinem „Widerspruch“ zueinander stehen. Was mich mit immerwährender Ehrfurcht erfüllt, ist der liebe Gott über mir und der zerbröselte Neandertaler unter mir, könnten sie – gegen Kant – sagen.

Ähnlich empfindet der christliche Genetiker W.E. Lönnig vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung bei Düsseldorf. Seine Arbeitgeber sperrten ihm jedoch unlängst seine MPI-Website, über die er das verkündet hatte. Was sind das bloß für neobiblische Zeiten, die da von der Düssel aus dräuend über uns kommen? Und dabei muss man noch froh sein, dass die sich mit diesem Quatsch alle auf die Seite der neoliberalen „Intelligent Designer“ unter den US-finanzierten Schöpfungsenträtslern schlagen – und nicht auf die der altfundamentalistischen „Kreationisten“.

Zwar würde ich meinen Gott nie mit so etwas belasten – geschweige denn ihn anbeten, aber selbst ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass die Kraft eines Gebets im Quadrat seiner Entfernung abnimmt. HELMUT HÖGE