Der goldene Phallus überwacht

Der große Managerschwindel, der weiter nicht auffiel: Mit einiger Verspätung kommt der fast verboten komische Film „The Yes Men“ ins Kino, über Globalisierungskritiker aus den USA und ihre unglaublichen Undercover-Auftritte

Merkwürdig eigentlich, dass so etwas nicht häufiger passiert. Dass vielmehr der gewitzte Flügel der Antiglobalisierungsbewegung schon fast wieder zum Alteisen zu gehören und die große Zeit von Attac vorbei zu sein scheint. Dabei lässt sich das absurd Dumme und Unmenschliche des Großteils an Globalisierungsgerede doch so einfach vorführen: Es müssen nur ein paar in Netzkunst- und Tactical-Media-Dingen versierte und mit genügend politisch motivierter Dreistigkeit ausgestattete Spaßguerilleros daherkommen – und schon steht das Gerede ganz schnell ganz nackt da.

Das beweist die Aktivistengruppe „The Yes Men“ seit 1999 mit ihren U-Boot-Angriffen auf US-Regierung, WTO und Großkonzerne. Der jetzt endlich im Kino gelandete Film „The Yes Men“ – der 2004 schon auf der Berlinale lief – dokumentiert die bislang größten Coups der beiden Haupt-Yes-Männer Mike Bonano und Andy Bichlbaum, zwischen 2000 und 2002. Und auch wenn einige dieser Aktionen mittlerweile schon zum gern referierten Kanon jedes Globalisierungskritikers gehören – das Revisited ist zumindest als Lob der mutigen Narrheit immer wieder erquicklich.

Zuerst faken Andy und Mike, ein sympathischer Unilehrer und ein netter Computerspielentwickler aus New York, eine Bush-Homepage, dann eine der WTO. Prompt trudeln ihnen die Konferenzeinladungen ins Haus: Als WTO-Vertreter Dr. Bichlbauer tritt Andy in Salzburg für die Abschaffung der Siesta in Spanien ein (wozu es heute schon keinen Kommunikationsguerillero mehr braucht), als Granwyth Hulatberi legt er in einer Liveschaltung auf dem TV-Sender CNBC knallhart die Position der WTO dar, zusammenzufassen in etwa so: Die Reichen haben immer recht, weil sie reich sind. Nirgendwo zumindest fliegt er auf, die behauptete Sprecherposition macht jeden Diskursmüll unanfechtbar.

Sich selbst verstehen die Undercover-Agenten als „Identitätskorrektoren“, die das „wirkliche Gesicht“ der WTO zeigen. Und das wird mit jeder Yes-Men-Aktion fratzenhafter: Die Kamera ist dabei, wie sie sich in glaubwürdige Wirtschaftsarschlöcher verwandeln, Hemden und Uhren shoppen, die zumindest teuer aussehen, sich die Haare rasieren und Floskeln für einen Vortrag vor finnischen Textilunternehmern pauken. Sympathisch nervös spielen sie denkbare Ausgänge ihrer Aktion durch. Am Ende realisiert sich einer der undenkbarsten.

Andy referiert über die problematische Aufgabe eines Managers, gleichzeitig Fernarbeiter in der Dritten Welt kontrollieren und seine eigenen Freizeitaktivitäten garantieren zu sollen. Er führt schließlich die WTO-Lösung vor: einen goldenen Ganzkörperanzug, dem ein ganz enormer Phallus wächst, EVA nämlich, der „Employee Visualisation Appendix“. Über den kann der Manager elektrische „Motivationsimpulse“ an die in Arbeiterschultern implantierten Chips schicken, die Arbeiter überwachen und dabei die Hände noch fürs Tennisspielen frei haben.

Es ist ein ungeheures und ungeheuer lächerliches Ding, das Andy da als „die Textilie der Zukunft“ präsentiert. Die Finnen aber lachen nicht, sie stellen auch keine Fragen und applaudieren artig. Die Yes Men sind schockiert vom eigenen Erfolg. Wenig später legen sie deshalb noch einen drauf. Sie unterbreiten amerikanischen Studenten „den“ WTO-Vorschlag zur Lösung des Welthungerproblems: das Recycling von „post-consumer by-products“. In schönster powergepointeter Manier essen Menschen Burger, während McDonald’s die Aufbereitung der fäkalen Burgerreste in die Hand nimmt und sie als Secondhandnahrung exportiert.

Mit derart gleichermaßen platter wie plastischer Globalisierungssatire tingeln Mike und Andy durch diesen kleinen, handgemachten Film und geben beredtes Zeugnis von der erstickenden Diskursmacht der kapitalistischen Apparate. Dass das so marktgerecht unterhaltsam vonstatten geht, macht bald fast ein wenig Angst. Besser doch, es bekämen nicht allzu viele Wind von der Existenz der Yes Men.

KIRSTEN RIESSELMANN

„The Yes Men“. USA 2003, 80 Min., OmU. Regie: Dan Ollman, Sarah Price, Chris Smith. fsk am Oranienplatz