Zur Terrorausbildung nach Pakistan

Präsident Musharraf braucht zur Sicherung seiner Macht die Islamisten. Daher duldet er ihre Koranschulen und militärischen Ausbildungslager

ISLAMABAD taz ■ Es ist nicht das erste Mal, dass Pakistan mit Planung und Durchführung von Terroranschlägen in Verbindung gebracht wird. So wurde der mutmaßliche spiritus rector der Attentate vom 11.September 2001, Khalid Sheikh Mohammad, im Februar 2003 in Rawalpindi in der Wohnung eines Aktivisten der einflussreichsten islamistischen Partei des Landes, der Jamaat-e-Islamia, verhaftet. Und auch drei der vier Attentäter, die für den Anschlag auf den Londoner Nahverkehr vor gut einem Jahr verantwortlich sind, waren pakistanischer Abstammung.

Zwei der Londoner Selbstmordattentäter hielten sich zwischen November 2004 und Februar 2005 sogar in Pakistan auf. Mohammad Siddique Khan, der älteste der vier erhielt in den zwei Monaten vor dem Anschlag 200 Anrufe von öffentlichen Telefonen aus Pakistan. Die Spur seiner Ausbildung im Juli 2003 verliert sich in Waziristan, einem Stammesgebiet an der Grenze zu Afghanistan, das als Trainings- und Rückzugsgebiet von al-Qaida gilt und von lokalen Taliban kontrolliert wird.

Als in Bombay im Juli dieses Jahres mehr als 180 Menschen den Tod fanden, wiesen erneut die ersten Spuren auf die aus Pakistan stammende „Armee der Reinen“ hin, die einen Anschluss der indischen Provinzen Jammu und Kaschmir an Pakistan mit Terror erzwingen will. Pakistans Präsident Musharraf gab 2002 dem Druck der USA nach und verbot die vom Geheimdienst des Landes mit aufgebaute Vereinigung. Er hatte aber nichts dagegen, dass deren Gründer Hafis Mohammed Said eine soziale Einrichtung mit dem bezeichnenden Namen „Vereinigung der Berufenen“ schuf. Als vorbeugende Maßnahme wurde Said am Donnerstag unter Hausarrest gestellt. Befürchet wird, dass von der von ihm betriebenen Koranschule gewalttätige Demonstrationen gegen Israel und die USA ausgehen könnten.

Hochburgen der Islamisten sind die Provinz Belutschistan an der Grenze zu Iran und Afghanistan sowie die Nordwestgrenzprovinz. In beiden Regionen herrschen bürgerkriegsartige Zustände. In Belutschistan geht es nicht nur um Autonomieforderungen, sondern auch um wichtige Rohstoffvorkommen.

Als Oberbefehlshaber der Armee benötigt Musharraf die Unterstützung der Fundamentalisten für Militäroperationen. Als Präsident braucht er sie, um die säkulare Opposition der von ihm entmachteten Ministerpräsidenten Nawaz Scharif und Benazir Bhutto zu schwächen. Um diese Allianz zu erhalten, kommt es zur Duldung und auch logistischen Unterstützung der terroristischen Unterorganisationen der Fundamentalisten sowie zum Verzicht auf Kontrolle ihrer sozialen Aktivitäten.

Dazu zählen auch die Koranschulen. 1947, dem Jahr der Gründung Pakistans, gab es 247 dieser Schulen. Inzwischen, so der Minister für religiöse Angelegenheiten, Ijazul Haq, sollen es fast 12.000 sein. Koranschulen sind private Einrichtungen, die Geld sammeln, Spenden erhalten und Bildung anbieten. Laut Aussagen des Entwicklungshilfeprogramms der UN sind in Pakistan 51,3 Prozent der Erwachsenen und 64,5 Prozent der Kinder unter 15 Jahren Analphabeten. Nur 35 Prozent der schulpflichtigen Kinder bekommen eine Ausbildung. Koranschulen bilden häufig die einzige Bildungsalternative.

Der Inhalt der Bildung wird dabei von den Parteien oder Organisationen bestimmt, die die Mahdrassen betreiben. 10 Prozent werden von der fundamentalistischen „Partei des Islam“ geleitet, 68 Prozent von Geistlichen, die der Deobandi-Schule angehören, jener Interpretation des Islam, der die Taliban in Afghanistan folgen. Für den Großteil der Koranschulen ist damit der Dschihad, der heilige Krieg, keine Frage der Theorie, sondern der Praxis, eine militärische Ausbildung wird für notwendig gehalten. Diese findet weniger in den Koranschulen, wohl aber in Ausbildungslagern terroristischer Gruppen in Pakistan statt.

Ein Jahr nach der geforderten Registrierung der Koranschulen sind erst 75 Prozent erfasst, und keiner der 1.400 an ihnen lernenden Ausländer wurde bisher ausgewiesen. Musharraf beschrieb die Nachsicht der Regierung mit den Koranschulen so: „Wir gehen in dieser Frage mit sehr viel Verständnis und Realismus vor.“ Realismus bedeutet auch, dass nur 1,8 Prozent des Haushalts für Bildung ausgegeben werden, für das Militär dagegen bis zu 40 Prozent zur Verfügung stehen. NILS ROSEMANN