SPD kritisiert Grüne
: Eine frühe Maßregelung

Es ist kein Zufall, dass die SPD ausgerechnet jetzt die Unzuverlässigkeit der Grünen-Fraktion geißelt, ja, gar über die Regierungstauglichkeit der Ökopartei sinniert. Zur Dramaturgie eines Wahlkampfes gehört auch, mögliche Partner rechtzeitig zurechtzustutzen. Nichts anderes tut die SPD mit der harschen Kritik ihres parlamentarischen Geschäftsführers. Anders gesagt: Sie eröffnet bereits jetzt, kurz vor Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes, die Koalitionsgespräche.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Bemerkenswert ist nämlich, dass sich die SPD-Kritik nur auf Formalien bezieht. Die Sozialdemokraten wissen: Inhaltlich ist gegen die Oppositionsarbeit der Grünen kaum etwas zu sagen. Im Gegenteil. Selbst die politischen Gegner erkennen die Kompetenz der 14-köpfigen Fraktion an. Die grünen Haushälter können minutenlang Zahlenkolonnen referieren, grüne Abgeordnete sind Meister im Stellen kleiner Anfragen, jenseits trockener Ausschussarbeit organisieren die Abgeordneten immer wieder bunte Aktionen – die bleiben zwar weit hinter denen alter Sponti-Tage zurück, stechen aber dennoch aus dem grauen Parlamentsalltag hervor.

Die Sozialdemokraten mögen sich jetzt im Parlament über latente Profilneurosen oder Tricks mit der Geschäftsordnung aufregen. Aber keiner dieser Vorwürfe wiegt schwer genug, um ernsthaft ein rot-grünes Bündnis in Frage zu stellen. Und am Wahlsonntag werden sie eine Minute nach Bekanntgabe des Ergebnisses vergessen sein. Gewinnt die Wowereit-SPD die Wahl, zählt für sie nur eines, wenn die Tür des Verhandlungszimmers geschlossen ist: Wie viele ihrer Positionen bekommt sie beim Partner in spe durch? Die aktuelle Kritik ist also eher Disziplinarmaßnahme denn ernsthafte Bedenkenträgerei. Die SPD fragt nicht: „Könnt ihr regieren?“ Sie fragt: „Wie viel gebt ihr uns fürs Regieren?“

Die gebetsmühlenhafte Beteuerung führender Grüner, Berlin sei eine rot-grüne Stadt, belegt: Das Trauma, dass ihnen die Macht nach dem rot-grünen Übergangssenat 2001 wieder aus den Händen rutschte, sitzt tief. Wenn die SPD fragt, wird die grüne Antwort deshalb lauten: „Eine ganze Menge.“