Mit Seele kaputt

Sex, Lakonie und Einsamkeit im Berlin der Achtziger: Lothar Lamberts tolle „Dirty Movies“ in der Brotfabrik

Vor zwanzig Jahren in Kiel war ich ständig verzweifelt. Als ich die ersten Filme von Lothar Lambert gesehen hatte, hatte ich das Gefühl, vom Kino gerettet zu werden. Seine Filme sprachen mich direkt an, und danach hatte ich das Gefühl, lebendiger und nicht mehr ganz so allein zu sein. Die Filme und ihre egozentrischen, unglücklichen Helden wirkten authentisch, also auch schutzlos. Wenn man sie gesehen hatte, hatte man das Gefühl, mit netten, ein wenig anstrengenden Leuten gesprochen zu haben, die ähnlich gestimmt waren wie man selbst – sich aber in ihrem Unglücklichsein nicht eingeschlossen, sondern es produktiv verwandelt hatten. Lothar Lamberts „Fucking City“ (1982) bestärkte mich dann in meinem Entschluss, nach Berlin zu gehen.

Die drei „schmutzigen“ Lothar-Lambert-Filme, die nun noch einmal in der Brotfabrik gezeigt werden, sind deshalb glaubhaft, weil sie darstellen, wie die Liebe und vor allem der heilige Sex immer wieder danebengehen. Deshalb fühlt man sich ihnen verbunden. Die schöne, professionelle Darstellung geglückter Liebe stößt ja ab und lässt einen allein zurück; die halbprofessionelle Darstellung des scheiternden Begehrens öffnet dagegen zuweilen Welt, denn die anderen sind genauso daneben wie man selber.

Philosophisch betrachtet ist Schmutz ein kommunikatives Element: Das Reine steht allein für sich, Schmutz aber verbindet. Die drei „Dirty Movies“ gehören zu Lamberts besten, intensivsten Filmen. „Fucking City“ und „Fräulei Berlin“ sind wie zwei alte Freunde, die noch einen dritten – „Die Liebeswüste“ – mitgebracht haben. Alle drei sind in einem melancholisch gestimmten Schwarz-Weiß gehalten. „Fucking City“ spielt im Berlin von 1980. Helga (Ulrike S.) und ihr Mann Rüdiger (Stefan Menche), ein Experimentalfilmer, suchen per Kontaktanzeigen junge Ausländer, die zu Sexspielen und pornografischen Filmaufnahmen bereit sind. Helgas Arbeitskollege, der schwule Fleischer Kurt (Lothar Lambert), findet flüchtige Sexkontakte im Park.

Es geht um Voyeurismus und Exhibitionismus, die Männer sind sexsüchtig, die Frauen seelisch abhängig, Rüdigers 16-mm-Kamera ist gleichzeitig Sexspielzeug und Unterdrückungsapparat, Westberlin ist kaputt, aber mit Seele. Wie so oft bei Lambert endet alles in einer Katastrophe. Der trotz seiner Holzschnitthaftigkeit schmerzhaft real wirkende Film wird durch die direkte Sprache seiner Helden, vor allem Kurts lakonische Sprüche, vor dem Absturz in die völlige Depression bewahrt: „Lieber ein missbrauchter Schwuler als eine unbenutzte Hausfrau“, sagt Kurtchen irgendwann. Und auf dem Weg zu neuen trostlosen Sexabenteuern: „Wenn ich jetzt nicht losgehe, krieg ich nachher wieder nur die Zombies ab.“

„Fräulein Berlin“ (1984) behandelt ähnliche Themen, mit dem Unterschied, dass es eine Hauptperson gibt, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Fräulein Berlin (Ulrike S.) ist Undergroundfilmstar und fühlt sich von ihrem Regisseur als Sexdarstellerin missbraucht. Ihr jüngster Film aber wird verboten, später scheitert sie privat und beruflich in New York. Sie gibt ihre Karriere auf und wird zurück in Berlin Apothekenhelferin. „Fräulein Berlin“ ist der wohl persönlichste und mutigste Film von Ulrike S.

Und dann noch der 1986 entstandene, leicht chaotische, ziemlich tolle Episodenfilm „Liebeswüste“: Er federt die immer scheiternden Versuche entfremdeter Helden, über Sex eine Brücke zum anderen zu bauen, durch eine Film-im-Film-Handlung ab. Die drei schmutzigen Filme gehören zum Besten, was im Berlin der 80er-Jahre entstanden ist. DETLEF KUHLBRODT

Infos zu „Lambert’s Dirty Movies“ unter www.brotfabrik-berlin.de