Vollzugsstopp für Karin Röpke?

Keine Lust auf Zwangsumzug: Montagsdemonstranten wollen „illegale“ Verwaltungsanweisung von SPD-Sozialsenatorin Karin Röpke außer Kraft setzen. Jetzt muss ein Gericht entscheiden

von Armin Simon

Das Verwaltungsgericht ist zuständig, dies zumindest scheint unstrittig. Womit die Liste der Klarheiten in jenem Prozess, der das Zwangsumzugswesen in Bremen stoppen und der Sozialsenatorin eins auf den Deckel geben soll, allerdings schon vollumfänglich aufgeführt wäre. Deutlich länger ist die Reihe der ungeklärten Fragen: Darf ein Verein stellvertretend für Mitglieder vor Gericht ziehen, etwa, und kann er auf diesem Weg eine interne Anweisung des Sozialressorts an die Bagis angreifen?

Kann er, versichert Hans-Dieter Binder vom Sozialen Lebensbund e. V., dem Kläger. Denn mit der umstrittenen Verwaltungsanweisung vom 18. November 2005 schreibt Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) der Bagis unter anderem vor, welche ALG-II-EmpfängerInnen sie wann auffordern soll, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Tausende von Briefen hat die Bagis auf dieser Grundlage seither verschickt – auch an die KlägerInnen, die sich vom Sozialen Lebensbund e. V. vor Gericht vertreten lassen.

Nach dessen Auffassung ist Röpkes Anweisung schlicht illegal. Denn das Wohngeldgesetz führt für jeden Wohnungstyp ausdrücklich drei verschiedene, vom Zustand des Objekts abhängige Mietobergrenzen auf. Bei einer Ein-Personenwohnung reicht diese Spanne von 245 Euro (alte, unrenovierte Wohnungen) bis 325 Euro (Bezug oder Modernisierung 1992 oder später). Röpke dagegen legte fest, dass in Bremen grundsätzlich der niedrigste oder zweitniedrigste der drei Werte anzuwenden sei – entsprechend mehr Umzugsaufforderungen verschickte die Bagis.

Der Soziale Lebensbund verweist demgegenüber auf die laufende Rechtsprechung des Landessozialgerichts Bremen-Niedersachsen. Die dortigen Richter haben bereits im Mai 2005 (Az. L 8 AS 78/05 ER) und seither in vielen weiteren Verfahren klar gestellt, dass die Behörden bei der Bemessung des Wohnkostenzuschusses „regelmäßig“ den höchsten Satz aus der Wohngeldtabelle zugrunde legen müssen. Ausnahmen seien nur möglich, „wenn der örtliche Wohnungsmarkt durch aussagekräftige Mietspiegel erschlossen wurde oder im Einzelfall eine andere Betrachtungsweise angezeigt ist“. Beides, argumentiert der Soziale Lebensbund, sei in Bremen nicht der Fall. Daher seien die Verwaltungsanweisung auf- und die Mietobergrenzen um 20 Prozent anzuheben.

Röpke und die Bagis beeindruckte das wenig. Jetzt hat der Verein daher nachgelegt. Das Verwaltungsgericht, forderte er in seinem jüngsten Schreiben, müsse der Behörde klar machen, dass sie ihre Verwaltungsanweisung zumindest so lange nicht anwenden dürfe, bis über die Klage gegen ebendiese entschieden sei. Derzeit prüft das Gericht, ob diese Aufforderung als Eilantrag zu verstehen ist. In diesem Fall, sagt Gerichtssprecherin Anette Ohrmann, würde der Richter noch diesen Monat entscheiden. Gäbe er den Klägern Recht, so Ohrmann, „dürfte man die Verwaltungsanweisung nicht mehr benutzen“. Welche Folgen das hätte – für die Bagis und die ALG-II-EmpfängerInnen, die bereits Umzugsaufforderungen erhalten haben – ist jedoch unklar.

Gleiches gilt für die Bedeutung, die die Bremer RichterInnen den Beschlüssen des Landessozialgerichts Bremen-Niedersachsen zumessen. Im Gegensatz zu Niedersachsen hat Bremen Rechtsstreitigkeiten in Sachen ALG-II nämlich den Verwaltungsgerichten zugeordnet – und sich so die Landeshoheit über die Beschwerdeinstanz gesichert.