Wetten, dass für Wetten geworben wird?

Der Streit um die bwin-Trikotwerbung ist nur das neueste Kapitel in einer Geschichte von Werbe-Tabubrüchen im Sport

BERLIN taz ■ Gut läuft das Geschäft mit der bedruckten Brust der Fußballer. 94,6 Millionen Euro erhalten die 18 Bundesliga-Unternehmen in diesem Jahr von ihren Gönnern, in keiner anderen Liga wird ein höheres Ergebnis erzielt. Nirgends stehen Aufwand und Ertrag für einen Fußballklub in einem günstigeren Verhältnis. Pro Saison erlöst der FC Bayern in der Bundesliga 20 Millionen dank des Deals mit seinem Sponsor T-Com.

Dass dem nicht immer so war, daran erinnert die Entscheidung des Bundeslandes Sachsen, Trikotwerbung des österreichischen Wettspielunternehmens bwin (früher betandwin) zu untersagen, für das in der Bundesliga Werder Bremen werben sollte. Die Posse ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Trikotwerbung, die als Lehrstück taugt über die Bigotterie, die dem Gewerbe innewohnt.

Schon 1968 wollte Wormatia Worms Finanznöte lindern mit einem Trikot-Aufdruck des Baumaschinen-Unternehmens Caterpillar. Der DFB, mit seiner Bundesliga längst ein Profibetrieb, untersagte den Wormsern jedoch jene Form von Werbung. Mehr Glück war Eintracht Braunschweig beschieden, begünstigt vom Ligaskandal zu Beginn der Siebzigerjahre, der den Klubs ein Loch in der Kasse bescherte. 1973 nahm die Eintracht eine Offerte des Kaufmanns Günter Mast an, der die Kicker mit seinem Magenbitter Jägermeister für 160.000 Mark pro Spielzeit sponserte. Die Intervention des DFB freute den Sponsor, da die Auseinandersetzung das Produkt noch stärker in die Berichterstattung rückte. Mast indes behielt die Oberhand, und so kam es, dass Deutschland lange vor Italien, Spanien und England, die wandelnde Werbefläche einführte. Allerdings irritierte das Firmenemblem die Leute vom Fernsehen. Also deklarierte man den Jägermeister-Hirsch als einen Teil des Vereinswappens, denn damals galt Schleichwerbung im Fernsehen noch als verboten. Der Tabubruch sollte sich als programmatisch erweisen: Als der Hamburger SV sich nur wenig später Geld von Campari überweisen ließ, blieb der Aufschrei aus.

Seitdem sind allein Sex und Politik dazu angetan, Aufregung hervorzurufen. Dessen war sich wohl auch der Homburger Präsident Manfred Ommer 1987 bewusst, als er seine Bundesliga-Fußballer mit einem London-Emblem auflaufen ließ. Kein Deal mit der Fremdenverkehrsbehörde der englischen Metropole, sondern mit einem Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Präservativen spezialisiert hatte. Also fühlte Ommer der Prüderie der Deutschen den Puls – und hatte gute Argumente auf seiner Seite, als die Aktion in die Hoch-Zeit der Diskussionen über HIV fiel. Gegen die Kollegen vom Eishockey-Klub ECD Iserlohn kam Ommer freilich nicht an, die im selben Jahr für ein Spiel für das „Grüne Buch“ des libyschen „Revolutionsführers“ Muammar al-Gaddafi warben und es so bis in die Nachrichtenspalten der New York Times schafften.

So darf sich bwin als Schrittmacher wähnen. Und sich glücklich schätzen, dass durch die Auseinandersetzung der Werbeeffekt kostenfrei serviert wird. Nun hat auch der letzte Anhänger erfahren, dass es beim Verbot darum ging, den staatlichen Wettanbieter Oddset zu protegieren, der seiner Kundschaft schlechtere Quoten als der Konkurrent aus dem Alpenland offeriert. STEFAN OSTERHAUS