Rechte machen sich den Weg frei

NPD und Republikaner kommen sich am 17. September nicht in die Quere. Auf Bezirksebene kandidiert stets nur eine der rechtextremen Parteien. NPD hat Chance auf Wahlerfolge im Osten

von Felix Lee
und Jonas Moosmüller

Es ist kein Zufall, dass auf der einen Seite die rechtsextremistischen Gewalttaten leicht zurückgegangen sind, während auf der anderen Seite die Anzahl rechtsextremer Propagandadelikte steigt. So hat es in Berlin nach Angaben des Verfassungsschutzes 2004 bezogen auf 100.000 Einwohner 1,65 Gewaltdelikte gegeben, 2005 waren es 1,42. Dagegen verdoppelte sich die Zahl der Propagandastraftaten im selben Zeitraum auf 1.018. Dieser Trend wird 2006 anhalten. Denn nach dem mäßigen Abschneiden bei der Bundestagswahl setzen die Rechtsextremen auch in diesem Jahr vor allem auf den Kampf um Parlamentssitze. Und da zählt Propaganda mehr als Gewalt.

Für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksparlamenten am 17. September haben sich die Rechtsextremisten in Stellung gebracht. Vierzehn KandidatInnen der NPD wollen ins Landesparlament, darunter NPD-Größen wie der Bundesvorsitzende Udo Voigt und Eckart Bräuniger. Die Wahl des langjährigen Kameradschaftsaktivisten zum Landesvorsitzenden im vergangenen November hatte der Verfassungsschutz als Zeichen dafür gedeutet, dass NPD und Neonaziszene enger zusammenrücken. Und auch die Deutsche Volksunion (DVU) – in Berlin quasi nicht existent – darf mit der bisher unbekannten Manuela Tönhart auf Platz 2 eine der ihren ins Rennen schicken. Mit Umfragewerten von berlinweit unter zwei Prozent werden den Nationaldemokraten bei der Abgeordnetenhauswahl aber wenig Chancen eingeräumt.

Anders hingegen sieht es auf Bezirksebene aus. Vergangene Woche verkündete Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid mit besorgter Miene, dass es eine verstärkte Zusammenarbeit der NPD mit den Republikanern gebe. Die beiden Parteien hätten die Bezirke vermutlich durch Absprachen untereinander aufgeteilt. Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) tritt stets nur eine der beiden Parteien an. Das deute auf eine „De-facto-Absprache“ zur Vermeidung von Konkurrenz hin, sagte Schmid und sprach von einer neuen Qualität der Zusammenarbeit.

In den Bezirken Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Reinickendorf, Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Spandau, treten nur die Republikaner an. Die NPD kandidiert in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick sowie Neukölln – und bleibt dort ohne rechtsextreme Konkurrenz.

Von einer Absprache will man bei den Republikanern dennoch nichts wissen: „Das ist reiner Zufall, dass die NPD hier nicht antritt“, sagt Thomas Weißbrich, stellvertretender Landesvorsitzender. Der NPD gehe man aus dem Weg. Die habe schließlich mit seiner Partei weniger gemeinsam als mit der PDS. Ganz anders klingen die Stellungnahmen der NPD: „Es gibt zwar keine offiziellen Absprachen, aber sehr wohl persönliche Kontakte“, berichtet Jörg Hähnel, NPD-Kandidat in Pankow. Seine Partei betrachte die Republikaner zumindest nicht als Konkurrenten.

In Antifa-Kreisen ist bereits seit langem bekannt, dass es zwischen Republikanern und NPD-Kadern enge Kontakte gibt. Das sei aber kein Zeichen für eine neue Stärke. Vielmehr werde hier die personelle Schwäche der Rechtsextremen sichtbar. So zählen die Republikaner in Berlin kaum mehr als ein Dutzend aktiver Mitglieder. Im Ostteil der Stadt gibt es sie gar nicht. Abgesehen von Neukölln hat es umgekehrt die NPD in all den Jahren nicht geschafft, im Westteil der Stadt Fuß zu fassen.

Chancen über die bei den Bezirkswahlen geltende Drei-Prozent-Hürde zu kommen, hat allein die NPD. Sie errang bei der Bundestagswahl vor einem Jahr in Treptow-Köpenick immerhin 2,4 Prozent, in Lichtenberg 2,8 und in Marzahn-Hellersdorf erhielt sie 3,2 Prozent der Stimmen.

Der Einzug in eine BVV wäre für die Neonaziszene sicherlich ein „symbolischer Erfolg“, sagt Rechtsextremismusexperte Henning Flad. Allzu große Sorgen macht sich der Politologe allerdings nicht. Solange die NPD von allen Entscheidungsprozessen konsequent ausgeschlossen werde, hätten Rechtsextreme in einer BVV praktisch keine Wirkungsmöglichkeit. „Was soll die NPD denn schon machen?“, fragt Flad. „Die können fleißig Presseerklärungen verfassen, aber kaum jemand wird sie drucken.“