„Etablierte Parteien sind herausgefordert“

Der NPD fehlt ein populistisches Thema, mit dem sie Wahlkampf machen könnte, sagt Hajo Funke, Politologe an der FU. Den Einzug der rechtsextremistischen Partei in einige Bezirksparlamente schließt er aber nicht aus

taz: Herr Funke, die NPD in Berlin hat sich für die Wahlen am 17. September frühzeitig in Stellung gebracht. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten dieser Partei ein?

Hajo Funke: Begrenzt. Sie verfügt über ihr subkulturelles Milieu, besonders in einigen Ostberliner Ecken von Marzahn, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Dabei handelt es sich um ein rechtsextremes, gewaltbereites Milieu mit einem Szeneumfeld, das sich seit Anfang der 90er-Jahre entwickelt hat. Wenn es ein Thema gäbe wie Hartz IV, dann würde es zugunsten der NPD sicherlich auch Einbrüche in die Wählerschaft der anderen Parteien geben. Ein solches populistisches Thema fehlt der NPD momentan aber.

Dass die NPD in Berlin im Vergleich zu früher keine Altherrenpartei mehr ist, sondern von gewaltbereiten Kameradschaftsmitgliedern geleitet wird, erhöht ihre Chancen nicht?

In der rechten Szene, ja. Aber nicht in der breiten Wählerschaft. Darin unterscheidet sich Berlin zum Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD aktuellen Umfragen zufolge bei vier Prozent liegt. In Berlin ist die Diskussion im Umgang mit Rechtsextremismus wesentlich weiter entwickelt.

Die NPD hat bei den letzten Bundestagswahlen vor allem bei Jungwählern gepunktet. Nun wurde das Wahlalter für die BVV-Wahlen auf 16 Jahre gesenkt. Kommt das der NPD entgegen?

Die Bereitschaft, die NPD zu wählen, ist unter jungen Menschen zwar höher. Aber auch das würde ich nicht überbewerten. Wir haben in Berlin eine politische Landschaft, die das Frustgefühl vieler junger Menschen ein Stück weit kompensiert: Im Westen durch die Opposition anderer Parteien, etwa der Grünen, im Osten durch die starke Verankerung der Milieupartei PDS.

Die Dreiprozenthürde könnte die NPD in einigen Ostbezirken dennoch überspringen. Welche Auswirkungen wird es haben, wenn Rechtsextremisten in den Bezirksparlamenten sitzen?

Sie werden soziale Themen ansprechen. Oder sie werden fremdenfeindliche Agitation betreiben. Probleme finden sich in der Stadt genug, die sie ausnutzen könnten. Dann hängt es sehr stark davon ab, ob die anderen Parteien glaubhaft vermitteln können, dass sie die sozialen Probleme ernsthaft angehen.

Wollen Sie damit sagen, ein Einzug der NPD könnte dazu führen, dass die etablierten Parteien sich mehr Mühe geben müssen?

So weit würde ich nicht gehen. Aber die etablierten Parteien sind herausgefordert. Das haben wir in Sachsen gesehen. Es dauerte einige Monate, bis die demokratischen Parteien sich zusammengerauft hatten, um geschlossen gegen die NPD vorzugehen. Diesen langen Lernprozess sollte man verkürzen und von vornherein sagen: Wir machen mit der NPD keine gemeinsame Sache. Im Übrigen: Auch die Republikaner saßen mal in Bezirksparlamenten. Von ihnen war binnen kurzer Zeit nichts mehr zu hören.

INTERVIEW: FELIX LEE