Die ganze Bevölkerung zum Aidstest

Als erstes Land der Welt lässt das kleine Lesotho im südlichen Afrika alle Einwohner auf den HI-Virus testen. Der Massentest dauert Jahre und ist mit viel Überzeugungsarbeit verbunden. Fast ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung gilt als Aids-infiziert

AUS JOHANNESBURGMARTINA SCHWIKOWSKI

Die Regierung des Königreiches Lesotho im südlichen Afrika verfolgt seit einem Jahr ein ehrgeiziges Ziel: Alle Einwohner über 12 Jahre sollen sich auf den HI-Virus testen lassen. König Letsie III. ging mit gutem Beispiel voran, der Premierminister und der Erzbischof von Lesotho folgten mit einem Test in aller Öffentlichkeit. Die Botschaft an die zwei Millionen Einwohner des Berglandes, das komplett von südafrikanischem Staatsgebiet umschlossen ist: Das Stigma von Aids muss reduziert werden, um die hohen Infektionsraten zu verringern. Die Lebenserwartung in Lesotho ist durch die Aidskrise bereits von 52 auf 34 Jahre gesunken, und die Regierung fürchtet, das kleine Land sei vom Aussterben bedroht.

Mit der Kampagne „Know your status“ leitete die Regierung in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO im Oktober 2005 ein umfassendes Programm ein, das auch die Menschen in den abgelegenen Dörfern erreichen soll. Aber mehr noch, sie sollen selbst die Verantwortung für die Durchführung der Aidstests übernehmen. Die traditionellen Oberhäupter und Kirchenangehörigen in den Gemeinden übernehmen die Rolle, mit den Dorfbewohnern über das Tabuthema zu reden, das nicht nur die Aidskrankheit betrifft – auch ein Gespräch über Sex wird traditionsgemäß vermieden. Zusätzlich zu den für Gesundheitsfragen zuständigen Sozialarbeitern der Behörden sollen Mitglieder aus den Gemeinden ausgebildet werden, um die Menschen während der Tests und Bekanntgabe der Ergebnisse beraten zu können.

Pro Distrikt sollen 300 Berater im Einsatz sein. Doch bisher sind nur in Mafeteng, einem einzigen der zehn Distrikte Lesothos, alle 300 ausgebildeten Kräfte tätig und arbeiten in 28 Dörfern. „Von diesem Pilotprojekt wollen wir weitere Schritte lernen“, sagt dennoch Mokete Khobotle, Mitarbeiter in der nationalen Aidskommission. Er gibt zu: Das Programm ist verlangsamt worden und liegt möglicherweise hinter dem Ziel, bis 2007 alle Einwohner getestet zu haben, zurück.

„Immerhin wird über Aids geredet“, zieht er dennoch eine positive Bilanz. „Auch im Radio und Fernsehen. Und die Leute kommen zum Test, in manchen Orten 100 am Tag.“ Im ersten Jahr haben sich über 25.000 Menschen testen lassen.

Über die Bill-Clinton-Stiftung sind Aidsmedikamente in Lesotho umsonst erhältlich. Im Jahre 2004 nahmen rund 5.000 Menschen in dem Land Medikamente, dieses Jahr sind es rund 8.000, aber nach amtlichen Schätzungen haben 40.000 Erwachsene und 4.200 Bedarf. Lesothos Infektionsrate in der Altersgruppe 15 bis 49 Jahre ist immerhin von 31 Prozent 2003 auf 23 Prozent in diesem Jahr gesunken. „Das kann mit hohen Sterberaten und Auswanderung zu tun haben, aber auch mit ersten Erfolgen, dass sich das Sexualverhalten ändert“, sagt Khobotle.

Lesothos Regierung hat mit Unterstützung ausländischer Organisationen für die Kampagne zwölf Millionen US-Dollar bereitgestellt, aber laut Khobotle werden mehr Gelder benötigt, um den Kranken dauerhaften Zugang zur Behandlung zu gewährleisten. Lesotho liegt in den Bergen, mit schwer zu erreichenden Dörfern. „Aber in Lesotho ist jeder in irgendeiner Form von der Krise betroffen, wir müssen zu jedem vordringen.“ Hinzu kommt, dass ausgebildete Gesundheitsdienstmitarbeiter und Ärzte zahlreich das Land verlassen und in Südafrika oder gar Großbritannien arbeiten. Fast eine halbe Million Männer aus Lesotho arbeiten außerdem in Südafrikas Bergwerken oder finden Teilzeitjobs jenseits der Grenze. Oft haben sie Zweitfrauen in Südafrika, was die HIV-Ansteckungsgefahr erhöht.