Brandanschläge gegen Studiengebühren

Das Auto des Bielefelder Uni-Rektors wird abgefackelt, in Münster brennt es nahe der Bibliothek. Die Polizei verdächtigt die Gegner von Studiengebühren. Die Proteste, die eingeschlafen waren, werden damit erneut radikaler – aus Frust

DÜSSELDORF taz ■ Zuerst waren es Mülleimer und Toiletten, die auf dem Gelände der Universität Bielefeld brannten. Jetzt haben Unbekannte das Privatauto des Rektors Dieter Timmermann angezündet. Die Polizei verdächtigt in beiden Fällen die Gegner von Studiengebühren. Die Vermutung liegt nahe, denn die nächtlichen Brände hatten mit dem Ja zu Studiengebühren des Bielefelder Uni-Senats am 12. Juli angefangen. Auch in Münster wurden in den vergangenen Wochen mehre Brände auf dem Campus gelegt – in beiden Städten ermittelt nun der Staatsschutz.

In Nordrhein-Westfalen (NRW) muss, anders als in den anderen fünf Gebührenländern, jede Hochschule selbst über die Einführung entscheiden. Nur den Rahmen hat der Landtag im März beschlossen: Ab diesem Wintersemester dürfen die Hochschulen von Erstsemestern, ab Sommersemester 2007 von allen Studierenden die Semestermaut in Höhe von 500 Euro kassieren. Damit hat die Landesregierung den „schwarzen Peter“ der Entscheidung und der damit einhergehenden Proteste an die einzelne Hochschulen weitergegeben.

Beinahe alle Hochschulen haben mittlerweile die Einführung der Semestermaut beschlossen. Dabei wurden sie von von heftigen Protesten begleitet. Im Frühsommer hatten die Studierenden in NRW, aber auch in Hessen und Hamburg, neue Protestformen für sich entdeckt: Die Studierenden blockierten Gleise und Autobahnen und besetzten wochenlang das Rektorat ihrer Universität. Das Auto des Rektors in Brand zu stecken, ist jedoch eine andere Qualität der Gewalt – ein weiterer Höhepunkt der Gewalt gegen Studiengebühren. Die Demonstrationen sind indes mit Beginn der Semesterferien erwartungsgemäß auf ein Minimum geschrumpft oder gänzlich eingeschlafen.

„Hinter der Zuspitzung steckt der Frust vieler Protestler“, sagt ein Gebührenprotestler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Frust darüber, dass die Bewegung der vergangenen Jahre ihre Ziele nicht erreicht hat. „Radikale Aktionen können ein Schritt nach vorne sein“, sagt der Gebührenaktivist über die aktuellen Vorfälle in Bielefeld und Münster. Allerdings gebe es die Gefahr, dass sich dadurch die politisch aktiven Studis in einen großen offiziellen und einen kleinen radikalen Teil spalten. Die „militanten Aktionen“ würden jüngere Studierende ohne politische Erfahrung eher abschrecken, an den Protesten teilzunehmen.

Diese Befürchtung teilt auch Fredrik Dehnert vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS). Mit Verweis auf die Aktionen in Bielefeld sagt er: „Von solchen Protesten müssen wir uns absetzen.“ Viele Studierendenvertreter hätten sich zwar bewusst auf die Seite der protestierenden Studierenden gestellt, etwa an der Uni Marburg oder der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Das ABS sieht die Proteste noch nicht am Ende. Dehnert kündigt bundesweite Aktionstage gegen Studiengebühren für das Jahresende an. Auch Demonstrationen werde es im Wintersemester wieder geben. Kommende Woche wollen sich Protestgruppen aus ganz Deutschland außerdem in Bochum treffen, um Musterklagen gegen Studiengebühren vorzubereiten. Zudem ist eine gemeinsame Demo von Studierenden in NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz geplant. MORITZ SCHRÖDER