Scheinheiliger Blogger

Nun schreibt auch Irans Präsident ein Internettagebuch

Iranische Blogger bilden eine lebendige Szene im Web. Schätzungsweise 700.000 Personen schreiben über Alltag und Entwicklungen im Land oder versuchen, die Menschen dort mit Nachrichten zu versorgen. Nun führt auch Präsident Mahmud Ahmadinedschad unter www.ah madinejad.ir Internettagebuch.

Der bisher einzige Beitrag stammt vom 11. August und hat die für Blog-Verhältnisse epische Länge von vier DIN-A4-Seiten. Die Themen: Ahmadinedschads Jugend und die islamische Revolution – eine einzige Lobhudelei. So beschreibt der Präsident, dass er beim Test für die Unizulassung „trotz Nasenblutens“ auf Platz 132 gekommen sei, bei 400.000 Teilnehmern. Das Studium habe er während der Revolution nicht aufgegeben, trotz seiner Teilnahme an „einigen Aktivitäten“ gegen den Schah.

Als „Söldner und Marionette“ des „Großen Satans“ USA und der Briten bezeichnet er den Schah, der das Jubiläum der Monarchie mit „den teuersten Festivitäten in der Geschichte der zivilisierten Menschheit“ begangen habe, während das Volk weiter verarmte.

Außer auf Persisch gibt es das Blog auch in englischer und arabischer Sprache. Ein Icon in Form einer kleinen französischen Flagge lässt vermuten, dass künftig auch frankophone Menschen ohne zwischengeschaltete freie Medien in den Genuss von Ahmadinedschads Gedanken kommen sollen.

Eine Kommentarfunktion ist verfügbar, doch die Lektüre der Leserbeiträge erscheint nicht lohnenswert. In Englisch ist nur ein Nutzer an der Zensur vorbeigekommen, der die kleine Schriftgröße des Blogs kritisiert, während auf Farsi Lobpreisungen von Ahmadinedschad und der Hisbollah gepostet wurden.

Kritische Blogs lässt die Regierung sperren und manche Blogger verhaften. Laut dem iranischen Journalisten Hossein Derakhshan, der von seinem Exil in Toronto aus bloggt, sollen 200 Blogs von Iranern im Land nicht aufrufbar sein. Dass der Präsident selbst seine Überzeugungen durch ein Blog publiziert, empfindet Derakhshan als heuchlerisch. „Aber der Iran ist voll von solchen Scheinheiligkeiten“, sagte er der taz. Gleichzeitig zeige die Website aber auch, dass die Regierung Blogs nicht mehr als „westliches“ Phänomen wahrnehme. Die benutzte Software ist allerdings aus dem Westen – von Microsoft. Ob es sich um eine lizenzierte Version handelt, konnte eine Microsoft-Sprecherin nicht sagen. MARIUS MEYER