Der Marsch in die Institution

CDU überreicht überreicht 6.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Dutschke-Straße. Die PDS-Bürgermeisterin klebt schon mal den umstrittenen Namen auf die Starßenschilder

von WALTRAUD SCHWAB

Der eine Mann taucht im hellen Trenchcoat auf. Dazu trägt er Hemd und goldfarbene Krawatte. Ein anderer kommt mit ockerfarbener Wildlederjacke daher. Seine blaukarierte Krawatte wird von einer Krawattennadel gehalten, auf der kleine Zahnräder prangen. Die anderen Herrschaften, die ins Büro von Cornelia Reinauer (PDS), der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, drängen, sind ebenfalls im Business-Outfit. Seriosität soll das ausstrahlen. Die Leute sind Aktivisten. Sie agitieren auf der Straße. Gegen Unrecht. Genauer: gegen die Rudi-Dutschke-Straße. Gestern haben diese Straßenkämpfer der Bürgermeisterin 6.000 Unterschriften überreicht. Ein halbes Jahr haben sie gesammelt – gegen die Umbenennung der Kochstraße.

Der in der Wildlederjacke ist Kurt Wansner. Das CDU-Mitglied des Abgeordnetenhauses nimmt die Rolle der grauen Eminenz der Alt-Kreuzberger Christdemokraten ein. „Wir hoffen, dass das Bezirksamt angesichts der überwältigenden Zahl der Unterschriften dem politischen Willen der Bürger folgt“, hebt er an, als er der Bürgermeisterin mit den Unterschriftenkartons entgegentritt.

Die Bürgermeisterin bedankt sich für die Kisten – glaubt aber dennoch an die Umbenennung. Die letzte Entscheidung wird wohl ein Bürgerentscheid bringen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir dann eine Mehrheit für die Dutschke-Straße bekommen werden“, sagt Reinauer. Deshalb war sie schon vor dem Bürobesuch der CDU aktiv. Früh am Morgen hat sie nach eigenen Angaben mit Parteifreunden die Schilder der Kochstraße mit „Rudi-Dutschke-Straße“ überklebt. Das ist eine andere Widerstandsform aus dem Katalog des Straßenaktivismus. Wobei es sich, wie bei allem hier, um verkehrte Welt handelt. Schließlich hat die PDS nur die von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossene Umbenennung in die Tat umgesetzt.

Gegen diese demokratisch gefällte Entscheidung opponiert nun also die Union mit basisdemokratischem Handwerkszeug. „Die CDU hat den Menschen im Bezirk eine Stimme gegeben“, tönt Wansner. Letztes Jahr hatte die CDU noch gegen das Gesetz gestimmt, das die demokratische Mitbestimmung in Form von Bürgerbegehren gewährt.

Bei anderen Formen des Bürgerprotests zeigen sich die Christdemokraten wenig lernfähig. Max Pöppel, stellvertretender Bezirksvorsitzender der Jungen Union, passt mit seinem lässigen Sweatshirt bei der Listenübergabe eher ins Bild eines Opponierers. Aber als der Jungpolitiker gefragt wird, ob er sonst auch schon mal für etwas auf die Straße gegangen ist, wendet er sich ab: „Ich bin kein Freund von öffentlichen Demonstrationen.“

Cornelia Reinauer nimmt die Unterschriften dem Protokoll entsprechend entgegen. Dann allerdings erinnert sie die CDU daran, dass am 17. September parallel zu den Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahlen auch darüber abgestimmt wird, ob Bürgerbegehren künftig auch auf Landesebene vereinfacht werden sollen. „Machen Sie sich bei Ihren WählerInnen dafür stark“, ermahnt sie. Wansner, nicht faul, erwidert mit breitem Lächeln, dass die CDU immer dafür gewesen sei. Wofür?

An der Stelle fällt die Aufmerksamkeit auf seine Krawattennadel. Was ist das eigentlich, was Sie da zur Schau tragen, wird er gefragt. Sieht aus, als wäre es eine Uhr, ein Luftdruckmesser und eine Temperaturanzeiger en miniature. Der Einwand bringt den Politiker aus der Fassung: „Das ist halt was Modernes, wa? So modern wie unsere Partei“, meint Wansner. Irritiert nimmt er die Nadel ab und steckt sie in seine Hosentasche. „Jetzt haben Sie mich ganz durcheinander gebracht.“